Bianca exklusiv 0177
nur eine Notiz von ihm gelegen, dass er mit Shirley zu einem Konzert gegangen sei. Gary hatte seiner Schwester verschwörerisch zugezwinkert. Hatte ihr Vater endlich begriffen, dass er mit Shirley eine neue Liebe gefunden hatte?
An diesem Morgen war die Küche leer. Jenna fand Charles schließlich im Wohnzimmer vor dem Fernsehapparat, wo er sich ein Video ansah. Die Stimme des Sprechers war die von Gary. Wahrscheinlich war es sein Videofilm für das Schulprojekt. Mit einem angedeuteten Gruß setzte sie sich schweigend neben ihren Vater auf das Sofa und sah sich das Video mit ihm zusammen an.
„Das ist gut“, sagte Charles Seabring plötzlich. „Hast du es schon gesehen?“
„Nein. Gary hat uns seinen Film zwar sozusagen in allen Farben geschildert, aber wir hatten noch keine Gelegenheit, ihn zu sehen.“
Der Sprecher verstummte, aber die Bilder sagten mehr aus als Worte: Sie zeigten einen etwa drei Jahre alten Jungen mit nur einem Arm, wie er versuchte, eine Sandburg zu bauen. Zunächst sah man die Enttäuschung des Kindes, als sein Turm immer wieder umfiel, und dann seinen Stolz, als er endlich stehen blieb.
„Gary hat die Kassette heute Morgen auf dem Kühlschrank liegen lassen“, erzählte ihr Vater ihr, als der Film zu Ende war.
„Das war eine Bitte an dich, es dir anzusehen.“
„Da hast du wohl recht. Als ich gestern Abend nach Hause kam …“, der Pfarrer schüttelte den Kopf. „Ich habe Gary noch nie so überschwänglich gesehen. Ich glaube, dieses Wochenende war ein großer Fehler.“
„Wie bitte? Hast du nicht gerade selbst gesagt, seine Arbeit ist gut?“
„Ja, sie ist gut! Doch das reicht nicht für eine Karriere beim Film, Jenna. Das alles birgt nur Enttäuschungen.“
„Und was ist, wenn Gary Erfolg hat? Was ist, wenn er genug Ausdauer und Durchhaltevermögen hat, um besser als alle anderen zu werden? Du hast gerade seinen ersten Film gesehen, und er hat dir gefallen. Sein erster Film! Auch Peter Selanki war voll des Lobes für Gary, und der Mann ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet.“
„Es geht nicht nur um Erfolg im Leben, Jenna. Erfolg ist mit Versuchungen verbunden, die meinem Sohn nicht guttun.“
Hoppla, das waren ja ganz neue Töne aus dem Mund ihres Vaters. Es klang fast so, als wüsste er, was Versuchungen sind.
„Hört sich an, als wüsstest du, wovon du redest.“
„Möglich. Es gibt viel in meinem Leben, wovon du nichts weißt. Ein Mann redet eben nicht gerne über seine Fehler.“
„Meinst du nicht, als Erwachsene könnte ich einiges davon verstehen?“
„Als da wäre?“
„Wie sehr du Mom nach ihrem Tod vermisst hast, zum Beispiel.“
„Kannst du dich überhaupt noch an sie erinnern?“
„Oh, ja“, sagte Jenna und schloss die Augen. „Ich erinnere mich, dass sie himmelblaue Augen hatte … und eine wunderschöne Stimme … und zu Weihnachten … ich höre sie immer noch Stille Nacht singen.“
„Ja“, Charles Augen wurden glänzend, „das war ihr liebstes Weihnachtslied. Und Pink war ihre Lieblingsfarbe. Ihr Lächeln war das Licht in meinem Leben. Als sie starb, wurde es dunkel. Das Schlimmste war, dass ich es mir nicht einmal anmerken lassen durfte, wie sehr sie mir fehlte. Ein Pfarrer gehört der Gemeinde, nicht seiner toten Frau.“
„Ich weiß, was du mit dieser Dunkelheit meinst, Dad. Als B.J. starb, war es mir auch, als hätte jemand mein Licht gelöscht.“
Ihr Vater nahm ihre Hand. „Es muss schlimm gewesen sein für dich. Erst der Krebs, dann die Hoffnung, dass B.J. es überlebe. Und schließlich ist er doch gestorben. Aber dass du dich so übereilt in diese neue Ehe gestürzt hast …“
„Ich liebe Blake“, unterbrach Jenna ihren Vater. Ein besserer Zeitpunkt für dieses Geständnis würde nie wieder kommen.
Der Pfarrer sah sie entsetzt an. „Was? Ich dachte, du hättest nur aus Pflichtgefühl dem Kind gegenüber gehandelt. Wie konntest du dich so schnell wieder verlieben? Noch dazu in so einen Mann?“
„Wie lange hast du damals gebraucht, bis du wusstest, dass du Mom liebtest?“
Charles Seabring sah seine Tochter verdutzt an. „Das geschah im Handumdrehen. Nach einem Gottesdienst hatte sie mich wegen meiner Predigt beglückwünscht, sie hatte ihr sehr gut gefallen. Als ich in ihre blauen Augen blickte, habe ich all meinen Mut zusammengenommen und sie ins Kino eingeladen. Und als ich dort dann neben ihr saß, wusste ich, dass ich sie zur Frau haben wollte.“
„Bei B.J. und mir war es anders“, gab Jenna zu. „Wir
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