Bianca exklusiv 0177
über den glitschigen Stein, was Becky nicht so mühelos gelungen war. „Vom Beobachten. Aus Erfahrung. Meine Lektion habe ich schon als sehr kleines Kind bekommen. Ich brauchte nur meinen Eltern zuzugucken – besser, zuzuhören.“
„Oh.“ Eine einzige Silbe, die aber ausdrückte, dass Becky verstanden hatte.
Clark wollte schon fragen, ob sie auch richtig verstanden hatte. Oder fand sie eher, dass er einer von denen war, die ihre Beziehungslosigkeit auf die eigene traurige Kindheit zurückführten? Doch Clark unterdrückte seine Besorgnis und Neugier.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern irgendwann in Frieden miteinander gelebt haben und sich nicht stritten.“ Er duckte sich, um einer überhängenden Kletterpflanze auszuweichen. „Mir wurde erzählt, dass sie sich irgendwann geliebt hätten und sich auch so verhalten haben. Doch das war, bevor ich mich erinnern konnte. Erinnern kann ich mich nur an endlose Streitigkeiten und Tränen, an hasserfüllte Wortgefechte, die von eisigem Schweigen abgelöst wurden.“
„Clark, ich …“
Er unterbrach Becky, indem er die Hand auf ihren Rücken legte und sie sanft anhielt, weiterzugehen. Nun, wo er einmal mit seiner Geschichte angefangen hatte, wäre es nicht sinnvoll, wieder aufzuhören. Genauso wenig wollte er in Beckys Augen schauen und riskieren, dass all die nutzlosen, sentimentalen Regungen, die sich in ihm angesammelt hatten, hervorbrachen. Sie blieben besser weiterhin verschlossen.
„Dabei hätte man von meinen Eltern annehmen können, dass sie alles hatten, dass es ihnen an nichts fehlte, um glücklich zu sein. Sie waren attraktiv, wohlhabend, gebildet, hatten ein großes Haus, ein blühendes Geschäft – und mich.“
Becky lachte, so wie Clark es sich erhofft hatte.
So schlimm ist das gar nicht, dachte er. Er würde es ganz gut hinter sich bringen.
„Willst du damit sagen, dass das Äußere täuschen kann?“
„Redest du jetzt von mir oder von meinen Eltern?“
„Du weißt genau, wovon ich rede“, antwortete Becky kurz.
„Okay, ja. Nach außen hin, für einen durchschnittlichen Beobachter schien die Ehe meiner Eltern durchaus in Ordnung zu sein, was natürlich eine Täuschung war.“ Einen flüchtigen Moment lang fühlte Clark sich wieder wie der achtjährige Junge, der sich ein Kissen an die Ohren hielt, um die harten Worte seiner Eltern nicht hören zu müssen. Dann brachte er seine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück und versuchte, unbeeindruckt und gelassen zu erscheinen, als er scherzend hinzufügte: „Nebenbei bemerkt, mein Äußeres täuscht nicht, wenn du davon ausgehst, dass ich ehrlich, rechtschaffen, tugendhaft und wahrheitsliebend bin.“
„Die Blicke, bei denen ich dich erwischt habe, sagen aber völlig anderes.“ Becky grinste ihn an, dann wandte sie sich wieder zum Gehen.
Er gönnte sich einen weiteren lustvollen Blick auf ihre kurvenreiche Rückseite, dann lachte er zustimmend auf.
„Du sagst also, dass deine Eltern sich nach außen hin anders gaben als zu Hause.“
„Ich glaube nicht, dass sie sich die Mühe gegeben haben, vor der Welt makellos zu erscheinen und sich dann zu Hause gehen ließen. Sie hatten es auch nicht nötig. Sie standen in keinem Lebenskampf, mussten sich keine Sorgen um Essen oder ein Dach über dem Kopf machen.“ Der Tonfall seiner Stimme war ungehalten und hitzig geworden. „Und wenn ich daran denke, worüber sie stritten … Es war so dumm! Wirklich unnötig. Mom beschwerte sich bei ihren Freundinnen über Dads schlimme Gewohnheiten oder dass Dad sie nicht anrief, wenn er in der Firma länger zu tun hatte. Es war alles nur ein Haufen …“
„Es war kein Respekt da“, unterbrach Becky ihn und warf ihm einen Blick über die Schulter, während sie weiter vor ihm herging.
„Wie bitte?“
„Wenn man sich über solche Nichtigkeiten streitet, steckt mehr dahinter, Clark. Es hat etwas mit Respekt zu tun.“
„Mit Respekt?“ Er blieb stehen, um darüber nachzudenken.
„Ja, überleg es dir.“ Becky hielt unter den grünen Blättern eines weit verzweigten Ahornbaumes an. „Stell dir mal vor, ich würde mich jedem gegenüber über deine schlechten Gewohnheiten auslassen. Wie würdest du dich fühlen?“
„So als ob du mich nicht respektierst“, gab Clark widerwillig zu.
Warum hatte er den Zusammenhang vorher nie gesehen? Nicht dass sich bei der überraschenden Entdeckung seine Ansicht über die Ehe auch nur ein klein wenig geändert hätte. Oh, nein, ganz im
Weitere Kostenlose Bücher