BIANCA EXKLUSIV Band 0174
schaden, nicht wahr? Vielleicht sollen Ihre Wähler nicht erfahren, dass Sie ein adoptiertes halbasiatisches Kind – einen Mischling – in Ihrer Familie haben.“
John sah so verletzt aus, dass Anne merkte, wie sehr sie sich mit ihren Vermutungen irrte. John Westfield schämte sich der Herkunft seines Neffen nicht.
„Wie gemein, so etwas anzunehmen“, empörte er sich. „Mir ist es verdammt egal, welche Farbe seine Haut hat oder woher seine Eltern stammen. Ich liebe Tim!“
Schuldbewusst zuckte Anne zusammen, wie John erfreut feststellte. Etwas gemäßigter setzte er hinzu: „Ich will, dass die Wähler für mich stimmen, weil sie an mich glauben. Das ist für mich der einzige Grund und nicht, wer zu meiner Familie gehört. Und ich will, dass Sie Tim in Ruhe lassen.“
Dass er so heftig für seine Familie eintrat, konnte Anne nur bewundern. Dennoch war sie nicht bereit nachzugeben. „So einfach geht das nicht. Sie haben mich nicht beauftragt.“
„Aber ich kann Sie überprüfen lassen.“ Er beugte sich so dicht über sie, dass ihre Gesichter kaum einen Zentimeter voneinander entfernt waren. „Ich kann jede staatliche Behörde dazu bringen, Ihre Agentur und Ihre Geschäftsmethoden genauestens unter die Lupe zu nehmen.“ Dass sie etwas finden würden, bezweifelte er nicht.
Obwohl sie innerlich bebte, richtete Anne sich trotzig hoch auf. Vieles, was sie tat, war nicht direkt ungesetzlich, doch zumindest moralisch anfechtbar. Das gefiel ihr selbst nicht sehr, nur blieb ihr oft nichts anderes übrig. Von manchen Ländern bekam sie einfach keine Informationen, ohne gewisse Leute zu bestechen. Aber das würden ihr weder John noch die staatlichen Stellen verzeihen.
„Wären Sie tatsächlich bereit, Ihrem Neffen so etwas anzutun?“ Sie hoffte inständig, dass John bluffte.
Er überlegte. Sosehr er Anne als Betrügerin entlarven wollte, die sie garantiert war, so sehr widerstrebte es ihm, Tim zu schaden. Und das ließe sich nicht vermeiden, weil man den Jungen ebenso unter die Lupe nehmen würde wie Anne Haynes. „Was fordern Sie, damit Sie diesen Fall aufgeben?“, fragte John mit schwerer Stimme.
„Dass Tim es von mir verlangt“, erwiderte Anne schlicht. Beunruhigt merkte sie, wie schnell ihr Herz wegen Johns Nähe schlug.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Anne nahm den Hörer ab. „Einen Augenblick bitte“, sagte sie nach einer Weile und reichte den Hörer John. „Es ist Ihre Assistentin.“
John kehrte Anne den Rücken zu. „Hallo, Lily, was ist los?“
Anne betrachtete ihn genauer. Von hinten sahen seine Schultern noch mächtiger und muskulöser aus. Er hatte den Körper eines Mannes, der viel Sport trieb und fit bleiben wollte.
Das Gespräch dauerte ziemlich lange, bis John seufzend sagte: „Okay, richten Sie ihnen aus, dass ich gleich drüben bin. Die Presseleute sollen auf mich warten. Ich möchte sie gewaltig unter Druck setzen. Jeder soll erkennen, was hier getan worden ist.“ John hängte ab und wandte sich an Anne.
„Ich muss los. Eine dringende Angelegenheit, es geht um mein Obdachlosenprojekt.“
John schaute Anne irgendwie unschlüssig an. Ihr war, als überlegte er, ob er gehen oder bleiben solle. Anne empfand genauso. Einerseits wollte sie, dass dieses Treffen endete, andererseits wünschte sie es nicht. Es war noch zu viel unklar.
„Wir müssen noch über gewisse Dinge sprechen, Miss Haynes“, bemerkte er schließlich. „Wie wäre es, wenn Sie mich zum Senat begleiten würden? Wir könnten uns fünfzehn Minuten bis dorthin unterhalten und fünfzehn Minuten auf dem Rückweg.“
„Hmmm.“ Sie dachte nach. Tim brauchte seinen Onkel, und sie musste erreichen, dass John Westfield nicht gegen sie arbeitete. Vielleicht konnte sie ihn zumindest davon überzeugen, dass sie keine Betrügerin war. „Einverstanden.“ Sie griff nach ihrer Handtasche. Wenn er nicht wegen des Wahlkampfes versuchte, die Nachforschungen nach Tims Mutter abzubrechen, weswegen dann? fragte sich Anne.
Und sie stellte diese Frage gleich, als sie im Auto saßen. „Warum wehren Sie sich so sehr dagegen, dass Tim seine leibliche Mutter findet? Er liegt Ihnen doch offenbar sehr am Herzen.“
„So ist es“, bestätigte John energisch. Mit einer Hand hielt er das Lenkrad des schnittigen schwarzen BMW umklammert, die andere lag auf der ledernen Armlehne zwischen den beiden Sitzen. Anne konnte den Blick nicht von dieser Hand mit den schlanken, sehnigen Fingern wenden. Es war eine Hand, die sich
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