BIANCA EXKLUSIV Band 0174
vor Arbeit nicht scheute. „Und weil das so ist, möchte ich nicht, dass Tim verletzt wird“, fügte John hinzu.
„Sie glauben, dass das geschieht, wenn er seine Eltern aufspürt?“, fragte Anne trocken.
Unbehaglich rutschte er auf dem Sitz herum.
„Tim malt sich die Zusammenführung in den rosigsten Farben aus. Er denkt, dass er für die Tatsache entschädigt wird, verlassen und adoptiert worden zu sein. Ich bin anderer Ansicht. Nach all den Jahren wäre es durchaus möglich, dass ihn seine leiblichen Eltern für einen Störenfried und Eindringling in ihr Leben halten. Vorausgesetzt, es gelingt ihm, sie zu finden. Und das scheint mir durchaus nicht sicher zu sein, nicht einmal, wenn Sie ihm dabei helfen.“ Der letzte Satz klang wie eine deutliche Warnung.
Anne, die frische Luft brauchte, kurbelte das Fenster herunter. „Sie denken, dass ich eine Betrügerin bin, nicht wahr?“
An einer roten Ampel hielt John an und drehte sich zu Anne um. „Sie sehen nicht danach aus. Aber das sieht man gerade den Erfolgreichen nicht an, und darum sind sie ja so erfolgreich.“
„Das hört sich an, als hätten Sie selbst schon Erfahrung mit Schwindlern gehabt.“
Verbitterung schwang in seiner Stimme mit, als er sagte: „Die blieb noch keinem Westfield erspart.“ Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie oft sie verraten und hintergangen worden waren. Die frühere Privatsekretärin seiner Großmutter hatte einen Sensationsartikel veröffentlicht, in dem sie die intimsten Einzelheiten der Familie beschrieb. Der einstige Geliebte einer Kusine hatte sogar ein ganzes Buch über seine Erlebnisse verfasst. Es gab eine Menge unsachlicher Biographien, aus denen man ganze Fernsehserien gemacht hatte. Nein, die Westfields vertrauten keinem Außenseiter mehr.
„Immer wieder versucht jemand, sich auf Kosten meiner Familie zu bereichern“, sagte John sehr betont.
„Ist es ihnen gelungen?“
„Falls Sie damit meinen, ob jemand Geld mit derartigen Berichten über uns gemacht hat, lautet meine Antwort: ja. Doch betrügen konnte uns noch niemand – bis jetzt!“
Wegen des dichten Verkehrs sprach John nicht mehr weiter, bis sie vor dem Haus ankamen, in dem John erwartete wurde. Er schaltete den Motor ab und löste den Sicherheitsgurt. „Es wäre wohl nutzlos, Ihnen auszureden, Tim zu helfen – oder?“, fragte John dann lächelnd.
Aha, nun lässt er seinen Charme spielen, dachte Anne. Der Mann begreift einfach nicht, wann er aufgeben muss. „Das wäre es.“
Es dauerte lange, bis John antwortete. Anscheinend wurde ihm klar, dass er sie nur dazu bringen konnte, die Nachforschungen einzustellen, indem er ihr die Wahrheit erzählte. Er atmete tief durch und sagte scharf: „Aber das ist streng vertraulich.“
„Selbstverständlich.“
„Es darf nichts veröffentlicht werden.“
„Okay.“ Anne bemühte sich, ihre Aufregung zu verbergen.
„Nun gut. Also: Wir haben zu Hause seit dem Tod meines Bruders eine Menge Probleme. Meine Schwägerin Gloria ist eine liebenswerte, aber auch sehr zarte Frau. Es fällt ihr schwer, mit Franks Tod fertigzuwerden, und ihren Kindern auch. Alle reagieren ihren Schmerz auf verschiedene Art ab. Besonders Tim macht Gloria das Leben schwer, indem er auf einmal hartnäckig seine Unabhängigkeit beweisen will.“
„Das tun alle Teenager in dem Alter.“
„Schon möglich. Doch Gloria sollte sich nicht noch zusätzlich damit herumschlagen müssen. Sie leidet ohnehin schon genug.“
„Haben Sie mit Tim darüber gesprochen?“
„Über dieses Thema noch nicht, jedoch über andere Dinge. Er glaubt, dass niemand in der Familie ihn versteht. Weil er adoptiert wurde, hat er das Gefühl, nicht zu uns zu gehören. Dabei ist er durch und durch ein Westfield. Das ist ihm nur noch nicht klar.“
„Vielleicht wird die Suche nach der Vergangenheit helfen, sich das klarzumachen.“
„Aber vielleicht wird es ihn nur noch mehr verwirren“, erwiderte John bedrückt.
„Er ist jedenfalls berechtigt, alles über sich und seine Abstammung zu erfahren. Wie jeder Mensch.“
„Auch wenn dadurch viele Unschuldige verletzt werden?“
Anne schluckte. „Tim hat die Situation nicht verursacht, die ihn nach Amerika brachte. Das sind andere gewesen. Wenn die nun leiden müssen …“
„Nicht nur sie, sondern auch ihre Familien“, fiel John Anne schroff ins Wort.
„Dann soll es so sein.“
Noch nie war John einer derart hartnäckigen Frau wie Anne begegnet. Finster starrte er vor sich hin. Er musste
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