BIANCA EXKLUSIV Band 0174
sie unbedingt dazu bringen, sich von diesem Fall zurückzuziehen. Tims Zukunft hing davon ab.
„Ich denke, dass Tim all seine Wurzeln und seine ganze Vergangenheit hier in Concorde hat“, bemerkte er nach langem Überlegen.
Der Lastwagen eines Fernsehteams fuhr heran, und die Kameraleute stiegen aus. Die Zeit wurde allmählich knapp, wie Anne merkte, und darum fragte sie schnell: „Warum sollte man Tim dann nicht die Chance geben, das selbst festzustellen?“ Anscheinend war John noch nie der Gedanke gekommen, dass Tims Suche nach der Vergangenheit ihm helfen konnte, die Gegenwart zu schätzen und anzunehmen.
John ignorierte die Frage. Er blickte betont auf seine Uhr und dann auf die Kameraleute und Journalisten, die ihm zuwinkten. Lächelnd nickte er zurück. „Wir sollten jetzt gehen. Ich muss im Büro des Direktors ein paar Worte sprechen.“
Es hatten sich jedoch bereits derart viele Reporter, Helfer und Interessierte eingefunden, dass das kleine Büro nicht ausreichte und die Versammlung draußen stattfand. John wurde sofort umringt.
Anne erkannte, was für ein guter Politiker er war. Ihren Fragen wich er geschickt aus und sprach dann so überzeugend ehrlich und mitfühlend zu den Menschen, dass sie ihm vertrauten.
Geduldig hörte John sich die vielen Beschwerden an, machte hin und wieder einige Notizen und redete sachlich darüber, was getan werden konnte und was nicht. Zuerst mussten unbedingt mehrere Apartmenthäuser auf dem freien Feld hinter den jetzigen gebaut werden, erklärte er. Dann sollten die nötigen Reparaturen erfolgen. Die Häuser zu streichen und das Geld für einen Spielplatz aufzutreiben würde noch etwas dauern.
Obwohl niemand gern wartete, spürten alle, wie leidenschaftlich und ehrlich John ihnen helfen wollte. Warum kann er nicht ebenso leidenschaftlich und ehrlich mir gegenüber wegen Tim sein? dachte Anne. Was verbarg er? Was wusste er, das sie nicht erfahren sollte?
„Tut mir leid, dass es so spät geworden ist“, entschuldigte sich John später, als er mit Anne zu seinem Wagen ging.
„Nicht so schlimm. Es war ja auch sehr wichtig. Aber glauben Sie ernsthaft, Sie können noch vor dem Winter neue Häuser bauen?“
„Davon bin ich überzeugt. Warum fragen Sie?“
„Nun, Ihnen steht noch die Wahl bevor.“
„Der Wahlkampf wird mich nicht daran hindern, Geld für dieses Projekt zu sammeln und zu bekommen. Sie scheinen daran zu zweifeln, nicht wahr?“
Anne zuckte die Schultern. „Ich meine nur, dass Sie vielleicht mehr versprechen, als Sie halten können.“
„Mit anderen Worten: Sie meinen, ich nehme den Mund zu voll.“
Als sie taktvoll schwieg, flammte es in Johns grünen Augen auf. „Dann werde ich Ihnen beweisen, dass es mir gelingt.“
„Wie?“
„Morgen Abend findet ein offizielles Dinner statt, zu dem ich Sie einlade. Es wird veranstaltet, um Geld für meinen Wahlkampf aufzutreiben. Aber ich werde es für das Wohnprojekt beantragen.“ John lockerte die Krawatte und knöpfte den obersten Knopf seines Oberhemdes auf.
„Dadurch würden Sie doch weniger Mittel für Ihren Wahlkampf haben, nicht wahr?“
„Na wenn schon. Es ist doch für einen guten Zweck – oder?“
Anne schwieg. Wieso brachte dieser offenbar so großzügige Mann der ganzen Welt Verständnis entgegen, nur nicht seinem eigenen Neffen? Es kam ihr vor, als fürchte John sich vor dem, was geschehen mochte, falls Tim seine leiblichen Eltern fand. Da Anne kein Versteckspiel liebte, fragte sie direkt: „Wovor fürchten Sie sich, Mr. Westfield?“
„Vor gar nichts“, entgegnete er scharf.
„Ach nein?“ Anne musterte ihn genau. „Sie wissen etwas über Tims Vergangenheit, nicht wahr?“
„Unsinn. Die Adoption war streng vertraulich, und zwar für beide Seiten.“
„Weshalb sind Sie dann so nervös? Haben Sie Angst, dass Tim sich seiner Eltern schämen würde. Oder dass er feststellt, die Adoption ging nicht mit rechten Dingen zu und dass er gar kein richtiger Amerikaner ist?“
„Sie haben eine blühende Fantasie.“ Es klang nicht wie ein Kompliment.
„Und Sie sind nicht so geschickt im Vertuschen, wie Sie es sich einbilden“, schlug Anne zurück.
Was für eine gefährliche Gegnerin! John erinnerte sich an den Rat seines Vaters: Lerne deine Feinde gründlich kennen, um sie erfolgreich zu bekämpfen. „Also, um wieder auf das Dinner zurückzukommen, ja oder nein?“
„Nach all dem liegt Ihnen immer noch daran, dass ich hingehe?“, erkundigte sie sich
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