BIANCA EXKLUSIV Band 0181
Außerdem gab es andere Wege, so etwas herauszufinden.
„Seit wann litt denn deine Mutter unter Depressionen?“
„Kurz nachdem Juliette und ihre Familie zurück nach Frankreich gezogen waren, fing es an. Mein Vater ging damals mit seiner Sekretärin auf und davon, und meine Mutter ist nie darüber hinweggekommen.“
„Hast du noch Kontakt zu deinem Vater?“
„Er ist auch tot.“
„Wie lange wart ihr und Juliette eigentlich Nachbarn?“
Paige entspannte sich etwas. „Fast acht Jahre.“ Juliettes Vater war Diplomat gewesen, und Juliette war trotz des großen Altersunterschieds unglaublich nett zu Paige gewesen.
Marc lehnte sich zurück. Das Sofa war sehr unbequem, aber es roch so sauber wie der Rest der Wohnung. Nur ein beinahe undefinierbarer Geruch im Hintergrund verriet, dass hier früher zu viel geraucht worden war und das eine oder andere Bier auf dem alten Teppich gelandet sein musste. Marc hielt es kaum aus, Paige in einer solchen Umgebung zu sehen.
„Und was sind deine Zukunftspläne?“
Hätten Blicke töten können, dann hätte sie ihn in diesem Moment erdolcht. „Zurzeit suche ich einen neuen Job. Alles Weitere wird sich dann finden.“ Sie stellte die Flasche auf den Tisch neben die kleine blaue Vase, in der eine einzelne Ringelblume stand. Dann legte sie Brodie an ihre Schulter und klopfte ihm auf den Rücken, bis er keine Luft mehr im Magen hatte.
„Was würdest du denn gern tun?“ Als sie nicht sofort antwortete, wies Marc auf ein Buch, das neben dem Sofa auf dem Boden lag.
Es war ein dicker Wälzer, den sie aus der Bibliothek entliehen hatte. Die Reisebeschreibung eines Botanikers, der auf der ganzen Welt nach seltenen und unbekannten Pflanzen gesucht hatte. Sie hatte es sehr gern gelesen.
„Ich liebe Blumen, und ich finde es faszinierend, Blumen und Pflanzen zu züchten.“ Insgeheim trauerte sie diesem verlorenen Traum nach. In der Schulzeit hatte sie geglaubt, sie würde später Botanik und Biologie studieren und dann Pflanzen züchten und veredeln. Den Plan hatte sie aufgegeben, als sich herausstellte, dass ihre Mutter ohne sie nicht zurechtkam.
„Juliette wäre sehr unglücklich, wenn sie sehen könnte, in welcher Lage du dich befindest.“
War ihm denn nicht klar, dass seine Untreue Juliette viel mehr verletzt hatte als alles andere? „Ich werde schon damit fertig. Und Juliette ist seit über zwei Jahren tot.“
„Es war ein so völlig überflüssiger Unfall.“ Seine Stimme klang traurig. Einen Moment lang schloss er die Augen. Doch als er sie wieder öffnete, wirkten sie kalt und unpersönlich.
Welch ein gefühlloses Scheusal er doch war!
„Ja, das fand ich auch.“
Marc hatte sie damals angerufen, um es ihr zu sagen. Sie war in Tränen ausgebrochen, und er hatte so sachlich berichtet, als hätte er nichts mit der Toten zu tun gehabt. Aus der Zeitung hatte sie mehr Einzelheiten erfahren als von Juliettes Ehemann. Juliette hatte hinten in einer Limousine gesessen, die sich langsam die engen Haarnadelkurven in den italienischen Alpen hinaufquälte. Ein Lastwagen, dessen Bremsen versagt hatten, war mit hoher Geschwindigkeit um eine der Kurven gerast und hatte den Wagen über die Leitplanke mit sich in die Tiefe gerissen. Juliette, ihr Chauffeur und der Lastwagenfahrer waren umgekommen.
Zumindest hatte sie nicht lange leiden müssen. Abgesehen von einer Schrecksekunde konnte sie nicht viel gemerkt haben.
Paige blinzelte, räusperte sich und nahm die Flasche, um Brodie noch etwas Flüssigkeit einzuflößen. Er wehrte sich und drehte den Kopf weg, aber dann trank er doch wieder etwas.
„Es tut mir leid. Dir fehlt sie sicher auch.“ Marcs tiefe Stimme klang nun beinahe sanft. Wie zum Trost berührte er Paiges Hand.
Sie sah ihn an, als der Funke übersprang. Wieder reichte eine Berührung, und sie konnte an nichts anderes mehr denken als an diesen Mann. Elektrischer Strom war nichts dagegen. Doch ehe sie etwas Peinliches tun konnte wie tief seufzen oder sich bei ihm anlehnen, verschluckte sich Brodie und begann zu schreien.
Erschrocken und dankbar, dass der Kleine sie davor bewahrt hatte, sich eine Abfuhr zu holen, hielt sie ihn hoch und klopfte ihm den Rücken, bis er sich beruhigte. Marc Corbett gehörte einer fremden Welt an. Die Welt der Reichen und Mächtigen war Lichtjahre von ihrer Welt entfernt. Er mochte sie begehren, aber zwischen ihnen klaffte ein unüberbrückbarer Abgrund. Vergiss das nie, Paige!, mahnte sie sich insgeheim und versuchte ein letztes
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