BIANCA EXKLUSIV Band 0181
Australien.“ Sie hielt die Milchflasche an die Wange. Genau die richtige Temperatur. Also setzte sie sich mit dem Baby und der Flasche auf das abgewetzte Sofa. Wenn sie den Kopf leicht neigte, fiel ihr das dichte Haar übers Gesicht, sodass sie Marcs durchdringenden Blicken nicht so sehr ausgesetzt war.
„Fährst du zu ihm?“, frage er, als hätte er ein Recht auf eine Antwort.
„Nein.“ Sie sah nur das Baby an.
Anfangs trank Brodie zufrieden seine Milch, aber nach kurzer Zeit drehte er den Kopf weg und begann wieder zu weinen.
„Trink, mein Schatz“, redete sie ihm gut zu. „Du brauchst Flüssigkeit, Brodie.“
Doch selbst während sie mit Brodie sprach, dachte sie nur an Marc. Ihr Körper schmerzte vor ungestilltem Verlangen, und sie konnte das Objekt ihres Begehrens nicht ignorieren. Verstohlen sah sie ihn an. Seine Miene verriet nicht, was er fühlte, aber sie ahnte, woran er dachte. Er überlegte, wer der Vater sein mochte.
Paige straffte sich, schob das Haar aus dem Gesicht und blickte ihn gelassen an. Dann sagte sie ruhig und mit Nachdruck: „Vielen Dank. Das war sehr nett von dir. Würdest du bitte die Tür hinter dir zumachen, wenn du gehst?“
Unter der leichten Hose zeichnete sich das Spiel seiner kraftvollen Beinmuskeln ab, als er sich am anderen Ende des Sofas niederließ. „Erzähl mir, warum du so lebst, Paige!“ Das war keine Frage oder Bitte, sondern ein Befehl. Offensichtlich würde er nicht aufgeben und verschwinden, ehe er alles erfahren hatte, was er wissen wollte.
Sie kämpfte den Anflug von Trotz nieder, der sich in ihr regte, weil sie sich so ausfragen lassen musste. „Im Vergleich zu anderen habe ich es gar nicht so schlecht.“
Skeptisch zog er die linke Augenbraue hoch, blieb aber höflich. „Du weichst mir aus. Ich nehme an, dass es dir seit dem Tod deiner Mutter finanziell nicht gut geht.“
„Beerdigungen sind teuer.“
„Hat dein Cousin dir und deiner Mutter nichts hinterlassen?“
„Warum sollte er? Das Erbe ging an seinen Sohn. Lloyd war sehr gut zu uns. Er hat uns jahrelang ein Heim gegeben.“
Marc sah alles andere als überzeugt aus. „Juliette erzählte mir, dass deine Mutter ihm den Haushalt geführt und du die Buchführung übernommen hast.“
Paige hob den Blick nicht von Brodies Gesicht. „Wir bekamen Geld dafür.“ Zwar keinen normalen Lohn, aber sie hatten ein Auskommen gehabt.
„Dich auf der Farm festzuhalten war selbstsüchtig von ihm und deiner Mutter. Sie hätten dich zur Universität schicken sollen.“
Paige biss sich auf die Lippe. Es kam ihr vor wie Verrat, die Probleme ihrer Mutter mit diesem selbstsicheren, reichen Mann zu besprechen. „Mum brauchte mich. Nachdem mein Vater uns verlassen hatte, bekam sie immer wieder Depressionen.“ Manchmal hatte sie wochenlang im Bett gelegen.
Marc runzelte die Stirn. „Dagegen gibt es Medikamente.“
„Ihr haben sie nicht geholfen.“
Brodie schniefte und drehte den Kopf hin und her. Paige brachte ihn dazu, noch etwas zu trinken.
„Außerdem waren wir hier glücklich. Mum hatte sich gut in Napier eingelebt, ich bekam einen Job im Büro, alles schien in Ordnung. Aber dann wurde meine Stelle gestrichen, und Mom starb.“
Weil sie nur wenig Berufserfahrung und als einzige Qualifikation die Buchhaltung auf einer Farm vorweisen konnte, hatte sich Paige sehr gefreut, die Stelle zu erhalten. Sie war fest entschlossen gewesen, diese Chance zu nutzen. Doch dann hatte der Chef begonnen, sie zu belästigen. Als sie ihm mit einer Anzeige drohte, kam es noch schlimmer. Er erklärte ihr, dass er sie nur eingestellt hatte, weil er sie für leichte Beute gehalten hatte.
Überrascht wegen ihrer heftigen Reaktion, hatte er sie zunächst in Ruhe gelassen. Doch einen Monat später wurde sie entlassen. Seitdem war sie arbeitslos. Im Sommer würde es wieder viele Saisonjobs geben, aber bis dahin musste sie noch etliche Monate warten. Niemand wollte eine Frau ohne Berufserfahrung, und ihr Zeugnis war so unverbindlich abgefasst, als hätte sie sich in dem einzigen richtigen Job, den sie je gehabt hatte, als unfähig erwiesen.
Marc musterte ihr blasses, stolzes Profil und fluchte leise auf Französisch vor sich hin. Er beschloss, sie nicht weiter zu drängen, obwohl ihre zornig funkelnden Augen ihm verrieten, dass mehr an der Geschichte war, als sie zugab.
Wurde sie vergewaltigt? Die Vorstellung ekelte ihn an und machte ihn unvorstellbar wütend. Aber er wollte Paige nicht zwingen, es ihm zu erzählen.
Weitere Kostenlose Bücher