BIANCA EXKLUSIV Band 0181
Während sie hinübersah, erhob sich eines der Tiere mit einem jammervollen Seufzer und robbte scheinbar unbeholfen an den Rand des Felsens. Dann ließ es sich ins Wasser gleiten und verwandelte sich sofort in eine kraftvolle, elegante Kreatur, die ganz in ihrem Element aufging.
„Sie sind wunderschön“, sagte Sam und reichte ihm das Fernglas zurück. „Mit den großen dunklen Augen sehen sie immer so traurig aus.“
„Man fragt sich, woran sie wohl denken mögen“, warf Aidan ein. „Wahrscheinlich an Fisch“, fügte er lachend hinzu.
Auch Sam musste lachen. Ihr Blick war längst von den Seehunden zu ihrem Begleiter zurückgekehrt. Verstohlen betrachtete sie das Spiel seiner Muskeln an den breiten Schultern und das gekräuselte schwarze Haar in seinem Nacken. Was würde geschehen, wenn sie die Hand ausstreckte und ihn berührte?
Aidan schien nicht zu bemerken, dass er heimlich beobachtet wurde. Er blickte mit dem Fernglas über die Bucht. „Das Wasser ist jetzt schon so weit abgelaufen“, bemerkte er, „dass man unten am Strand zurückgehen könnte. Wir müssten nur irgendwie die Klippen hinunterkommen.“
„Ein Stück weiter gibt es einen Pfad“, erklärte Sam. Sie hatte die Hände auf den Rücken gelegt, ehe sie sich selbstständig machen konnten. „Er ist ein bisschen steil, aber wenn man vorsichtig ist, kommt man gut hinunter.“
„Also gut, zeigen Sie mir den Weg.“
Der Abstieg war wirklich nicht gefährlich. Einige Male musste Sam sich am Gestrüpp festhalten, das in den Spalten des schwarzen Granits wuchs. Doch als Aidan ihr seine Hand anbot, schüttelte sie den Kopf. „Ich komme schon zurecht.“
„Unabhängig wie immer.“ Er lachte, und Sam konnte nicht anders, als in sein Lachen einzustimmen. In der sanften Abendsonne, die Brise im Haar und das leise Rauschen des Meeres in den Ohren, war es unmöglich, ihre kühle Abwehr aufrechtzuerhalten.
Am Fuß der Klippen betraten sie eine faszinierende Welt aus bizarren Felsformationen und Seetanggestrüpp. Sie zogen sich die Schuhe aus und rollten die Hosenbeine auf. Sie erkundeten diese Welt gemeinsam wie Kinder. Sie staunten über das vielfältige Leben, das von der Ebbe in den felsigen Senken zurückgelassen war, und lachten über die winzigen Krabben, die mit ihrem ulkigen Seitwärtsgang zu entkommen versuchten, sobald man sie berührte.
Dann folgten sie dem weit geschwungenen Bogen der Bucht am Strand entlang. Unter ihren Füßen knirschte der Sand, während die untergehende Sonne das Meer in Flammen zu versetzen schien. Im Zenit wurde der Himmel kobaltblau, während die immer länger werdenden Schatten den Strand wie mit einem Schleier zu überziehen begannen.
„Was für ein wundervoller Abend“, stelle Aidan fest. Er blieb stehen und blickte hinaus auf den fernen Horizont. „Es ist so friedlich.“ Er atmete tief durch. „Als wären wir die beiden einzigen Menschen auf der Erde.“ Zwei Reihen Fußspuren zogen sich durch den Sand, dicht nebeneinander an der Wasserkante.
Aidan blickte zurück. „Wäre das nicht komisch, wenn unsere Spuren für alle Ewigkeit versteinerten, so wie die von Dinosauriern?“, fragte er lachend. „Millionen Jahre später würde ein Archäologe sie finden und studieren. Er würde gelehrte Abhandlungen darüber schreiben und allerlei lächerliche Theorien über uns menschliche Wesen entwickeln. Alles nur auf Grund eines Abendspaziergangs.“
Sam musste unwillkürlich lachen. „Was sie wohl über uns denken würden?“, dachte sie laut. Sie imitierte die Stimme eines trockenen Gelehrten. „Zweifüßige Kreaturen in unterschiedlichen Größen, offenbar unfähig, geradeaus zu gehen.“
„Das hier wird sie verwirren.“ Aidan lachte und begann, wirre Muster mit seinen Füßen in den Sand zu treten. Er hopste auf einem Bein, sprang seitwärts und lief schließlich in einem engen Kreis.
Sam lachte. So viel Albernheit hätte sie Aidan Harper niemals zugetraut! Sie ging auf sein Spiel ein und machte Riesenschritte auf Zehenspitzen. „An dieser Stelle haben die primitiven Zweifüßer anscheinend rituelle Handlungen vorgenommen, deren Zweck wir vermutlich niemals herausfinden werden.“
„Und dann ist eines der beiden Wesen plötzlich verschwunden!“ Er hob sie auf seine Arme und schwang sie hoch in die Luft. Beide lachten vergnügt. Dann trafen sich ihre Blicke, und er wurde wieder ernst. Langsam ließ er sie herab, bis sie auf ihren Füßen stand, doch er hielt sie noch immer eng umschlungen.
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