BIANCA EXKLUSIV Band 0187
unglücklich, weil beide wissen, dass ihre Ehen eher aus geschäftlichem Kalkül als aus Liebe geschlossen wurden.“
Emmy kannte beide Geschichten gut, da sie Leticia Rhodes’ starre Miene schon oft gesehen und aus Carlotas und Felicias Briefen alles über Harrys Heirat erfahren hatte. Sie war sich nur nicht sicher, ob Lila die Verhältnisse ebenfalls kannte. Außerdem war sie neugierig, wie Deston die Geschichte erzählen würde – spöttisch oder teilnahmsvoll.
„Diese Sache mit deinem Bruder Harry … Gab es da nicht einen Skandal?“
„Wenn wir unter uns sind, erzähle ich dir davon.“
Inzwischen waren sie im Hotel angekommen. Mit dem Lift fuhren sie in ihre Suite. Dort setzte Deston seinen Bericht fort: „Harry sollte Poppy heiraten, weil sie eine gute Partie war und hervorragend zur Familie Rhodes passte. Aber er hatte sich heimlich in eine der Angestellten auf Oakvale verliebt.“
Emmy wurde flau im Magen. „Wie konnte er nur?“
„Das hat meine Mutter auch gefragt. Ihr Stolz auf den Namen Rhodes ist unerschütterlich, und sie würde einiges tun, um unser Image zu schützen. Manchmal glaube ich, dass es zwischen ihr und meinem Vater doch ein wenig Liebe gibt. Oder zumindest eine Art gegenseitigen Respekt wie zwischen Geschäftspartnern.“
So, wie Sunnys Ehe mit Deston sein würde.
„Wieso hat er diese Poppy dann doch geheiratet?“
„Erst mal ist Harry mit seiner Geliebten durchgebrannt, aber mein Dad hat die beiden aufspüren lassen. Als Harry dann zurückkam, setzte Edward der Dritte seine immensen Überredungskünste ein, und die Hochzeit wurde annulliert. Innerhalb einer Woche war das Dienstmädchen verschwunden, und Harry war mit Poppy verlobt.“
„Warum hat er nicht zu der Frau gehalten, die er liebt?“
Einen Moment lang wirkte Deston verärgert, sodass Emmy ein wenig Hoffnung schöpfte. Dann jedoch verschwand der Ausdruck wieder aus seinen Augen. „In der Familie Rhodes wurden die Ehen schon immer aus strategischen Gründen geschlossen. Wir wurden wie Monarchen erzogen, sollten den guten Namen der Familie weitergeben und das Andenken an den ersten Edward Rhodes bewahren. Wenn man von Harrys Affäre mit dem Hausmädchen erfahren hätte …“
Emmy atmete tief ein. „Siehst du das alles auch so wie deine Eltern?“
„Wenn wir beide heiraten sollten, würden sie erst mal deinen Stammbaum überprüfen. Du wärst aber gar nicht auf die Ranch eingeladen worden, wenn man mit deiner Herkunft nicht zufrieden wäre.“
„Das war aber nicht meine Frage.“
Destons Kinnmuskeln zuckten. „Wenn mein Vater Harry nicht unter Kontrolle hätte, wie könnte er dann unser Unternehmen leiten? Das würden sich jedenfalls unsere Kunden fragen. Der äußere Eindruck ist maßgebend.“
Nun war Emmy traurig.
„Trotz allem ist unsere Familie nicht schwach. Wir stehen treu zueinander und wenn manche Leute uns für arrogant halten, dann ist das eben der Preis, den wir zahlen müssen.“
Die folgenden Worte kamen ihr ganz spontan. „Wenn du in der gleichen Situation wärest wie Harry, würdest du deine wahre Liebe auch aufgeben?“
„Schau mich nicht so an. Ich käme gar nicht erst in Harrys Lage. Er war doch immer der Sensible, der den Mädchen Gedichte geschrieben hat. Ich dagegen …“
Ihr fiel wieder ein, dass Deston vor seiner Abreise das Personal aufgesucht hatte, um alle Namen zu erfahren. „Das glaube ich dir nicht.“
Deston wirkte unsicher. „Um das Vertrauen des alten Herrn zu gewinnen, habe ich wahnsinnig geschuftet. Und obwohl ich Harry einerseits verstehe, wenn er mit jemandem glücklich sein will, der ihn wirklich liebt, halte ich ihn andererseits für einen Dummkopf.“
Genauso war Paolo auch gewesen. Auch er hatte keine Frau akzeptieren wollen, die nicht zu seiner Gesellschaftsschicht gehörte. Wie hatte Emmy nur so naiv sein können, die Absichten ihres italienischen Freundes misszuverstehen und ihn für einen guten Menschen zu halten, wenn er nur eine Marionette seiner Familie war? Wieso hatte sie jemals geglaubt, dass ihre Träume wahr werden könnten? Deston hatte sie gerade wissen lassen, dass er niemals wie Harry handeln würde.
Jetzt beobachtete er sie und fragte sich vielleicht, ob er sich Sunny gegenüber arrogant gegeben hatte. Sein Verhalten war jedoch nicht nur snobistisch, sondern auch durch Traditionen und durch seine Beziehung zu Juliet geprägt.
Zwischen ihnen lagen Welten.
„Hey“, meinte Deston schließlich und legte eine Hand auf Emmys Knie.
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