BIANCA EXKLUSIV Band 0187

erfolglos, Alices Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    „Die sind nur eifersüchtig.“ Mack reichte Alice eine Flasche Bier und behielt die beiden anderen für sich. „Ich unterhalte mich mit den Goldsuchern, die hier durchkommen. Manchmal höre ich eine gute Geschichte, die auch noch stimmt.“
    „Was zum Beispiel?“, fragte Alice.
    „Glauben Sie ihm nicht“, warnte Ernie. „Er erfindet das nur. Oder die Goldsucher schwindeln. Die Hälfte von denen behauptet, dass ihr Maultier sprechen kann.“
    Mack schüttelte den Kopf. „Diese Geschichte habe ich in einem Buch in der Freizeithalle gefunden. Also muss sie wahr sein.“
    Alice betrachtete ihn interessiert. „Ich höre mir gern eine gute Lüge an.“
    Die Männer johlten.
    „Sie hat ihn durchschaut.“ Ernie nickte zufrieden.
    Er kennt Alice nicht, dachte Samantha. Je schlimmer sie einen Mann aufzog, desto mehr mochte sie ihn.
    „Also, das ist in den dreißiger Jahren passiert. Genauer gesagt, neunzehnhundertdreiunddreißig.“ Mack lehnte sich zurück und genoss die allgemeine Aufmerksamkeit. „Ein Paar aus der Gegend kampierte draußen bei Agua Caliente Springs, nicht weit von uns. Die beiden haben Blumen in den Canyons gesucht. In dem Buch steht, dass sie Amateurbotaniker waren.“
    Im Verlauf der Geschichte bemerkte Samantha, dass Pete sich in die Nähe von Mary Anne setzte. Die beiden lächelten einander schüchtern zu. Samantha wünschte sich sehr, dass ihre Freundin glücklich wurde.
    Aber wenn Pete hier war, wo hielt Kieran sich auf?
    Laut Mack hatten die Amateurbotaniker einen Goldsucher gefunden, der ihnen etwas Phantastisches schilderte. Ein altes Schiff ragte aus einer Felswand. Er behauptete auch, er habe die verlorene Mine von Pegleg Smith gefunden. Deshalb hörte das Paar nicht weiter auf seine Geschichte.
    Doch am nächsten Tag wanderten sie durch einen Canyon und sahen tatsächlich den gebogenen Bug eines Wikingerschiffs aus einem Felsen ragen.
    „Lächerlich“, rief Ernie.
    „Ziemlich an den Haaren herbeigezogen“, stimmte Pete zu.
    Alice mischte sich ein. „Gar nicht. Früher lag der Meeresspiegel viel höher, und die Canyons standen unter Wasser. Habt ihr noch nicht gehört, dass hier in der Gegend die Skelette von Walen ausgegraben wurden? Es heißt, dass chinesische Seeleute die kalifornische Küste schon vor tausend Jahren entdeckt haben. Wieso also nicht auch die Wikinger?“
    „Und warum haben wir bisher nichts davon gehört?“, rief einer der Männer. „Ein Wikingerschiff, das halb in einem Berg steckt! Da hätte man schon längst einen Vergnügungspark ringsherum aufgebaut.“
    „Also, wenn ihr alle die Klappe haltet, erzähle ich euch, was geschah“, fuhr Mack fort, und die anderen schwiegen.
    Das Paar notierte sich die Lage des Schiffes und kehrte zu seinem Lager zurück, um später mit Zeugen zurückzukehren. Doch wenige Minuten später kam es zu dem Erdbeben von 1933.
    Ein Felssturz blockierte den Zugang zum Canyon. Die markanten Stellen in der Landschaft verschwanden. Das Schiff wurde entweder zerstört oder so von der Außenwelt abgeschnitten, dass es nie wiedergefunden wurde.
    Sobald Mack fertig war, diskutierten alle darüber, wie glaubhaft die Geschichte war. Alice schlug sich auf Macks Seite, während er schwieg. Als er jedoch für seinen Standpunkt eintrat, führte sie die gesamte Meute an, die ihn aufzog.
    Alice hatte ihren Mann gefunden.
    Plötzlich hörten die freundschaftlichen Streitigkeiten auf.
    Gitarrenklänge drangen durch die Nacht.
    Samantha konnte den Sänger nicht sehen, erkannte jedoch die Baritonstimme bei den ersten Worten von „Wind Beneath My Wings“. Es war Kieran.
    Die sanften und gleichzeitig traurigen Worte berührten sie, während er die Finger über die Saiten wandern ließ. Und was für eine Stimme er hatte! Ein wenig rau, aber volltönend. Die Canyonwände verstärkten den Klang in der Dunkelheit.
    Das Lied endete viel zu schnell. Auf Drängen der Leute ließ Kieran einige Hits von Elton John folgen, und sogar Samantha sang mit.
    In ihren Internatszeiten hatte sie das Singen gehasst, besonders zu Weihnachten. Erst jetzt erkannte sie, dass gemeinsames Singen die Menschen verband. Sie teilten ihre Gefühle, Träume und Erinnerungen durch Lieder, die sie liebten.
    „Weiter!“, riefen die Leute, als Kieran seinen Platz auf einem Felsen verließ. „Du kannst jetzt nicht aufhören!“
    „Jetzt soll ein anderer weitermachen!“ Er schob sich den Riemen der Gitarre über den Kopf.