Bianca Exklusiv Band 0226
Klassenzimmer stand. Sie schob ihre kleine Hand zum Schutz in die Hand ihres Vaters, während sie darauf wartete, dass das Chaos um sie herum in geordnete Bahnen gelenkt würde.
Manche Kinder saßen bereits auf ihren Plätzen und betrachteten mit großen erstaunten Augen ihre Umgebung. Andere Schüler klammerten sich an ihre Eltern. Eine freundlich blickende Frau, die Justin für die Lehrerin hielt, ging zwischen ihnen umher. Der Reihe nach kauerte sie sich vor jedem Kind nieder, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein, und sprach mit ihm, bis es bereit war, von den Eltern zu lassen und ihr seine Hand anzuvertrauen. Dann führte sie das Kind zu einem der Tische und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich, bis die Eltern unbemerkt gehen konnten.
Schließlich kam sie auch zu Susan. Nach einem freundlichen, aber flüchtigen Blick auf Justin wandte sie ihre Aufmerksamkeit ganz Susan zu. „Mein Name ist Miss Greene. Ich bin deine Lehrerin. Wie heißt du?“
Susans Erwiderung war scheu und kaum hörbar, aber Miss Greene musste sie verstanden haben, denn sie ergriff die freie Hand des kleinen Mädchens. „Ich freue mich, dich kennenzulernen, Susan. Ich habe einen Platz, der auf dich wartet, da drüben bei dem Hasenkäfig. Ich wette, dir gefällt es, bei Mr Wackelnase und Schneewittchen zu sitzen. Kommst du mit mir mit, damit ich dich ihnen vorstellen kann?“
Susan sah zu ihrem Vater auf, ob er einverstanden wäre, doch noch, bevor er etwas sagen konnte, spürte er schon, wie ihre Hand sich aus der seinen löste. „Geh du nur, Engelchen“, ermunterte er sie, nicht, weil er das wollte, sondern weil es von ihm erwartet wurde. „Am Nachmittag hole ich dich ab.“
Susan tat einen Schritt von ihm fort. Am liebsten hätte er sie zurückgehalten, in seine Arme gezogen und wieder nach Hause gebracht, wo sie geborgen und sicher war. Es gab so viele Gefahren, bekannte und unbekannte, durch die sie ihm genommen werden konnte, und einen weiteren Verlust würde Justin nicht ertragen können.
Als ob sie seine Qual gespürt hätte, blieb Susan stehen und wandte sich ihm wieder zu. Sie strich über seinen Arm und sah ihn mit ernsten blauen Augen an. „Mach dir keine Sorgen, Daddy. Du wirst nicht lange allein sein. Und wenn ich erst lesen kann, kann ich dir bei deiner Arbeit helfen.“
Schuldbewusst dachte er, dass es nicht richtig sei, wenn sie sich um ihn sorgte. Er hockte sich nieder und blickte ihr in die Augen. „Von jetzt an hast du deinen eigenen Job, Susan, und das heißt, soviel wie nur möglich in der Schule zu lernen. Daheim ohne deine Hilfe wird es einsam sein, aber ich habe eine Menge zu tun, was mich ablenkt.“ Er sah zu Miss Greene hoch, und sie nahm sein Stichwort sofort auf.
„Wir haben hier so viel zu tun, und jeden Abend kannst du deinem Dad davon erzählen. Und er kann herkommen und uns besuchen oder mit dir zu Mittag essen, wann immer er will.“
Susans Blick wanderte von der neuen Lehrerin zu ihrem Vater. Justin nickte zustimmend. „Um halb drei bin ich wieder da“, versicherte er ihr. „Viel Spaß, und zeig Miss Greene, was für ein braves Mädchen du bist.“
Ein frischer Schub neu angekommener Eltern und Kinder trennte ihn von seiner Tochter. Er sah hinter Susan her, die ihm zum Abschied zuwinkte und dann mit ihrer Lehrerin durch das Klassenzimmer ging. Miss Greene hatte schulterlanges mittelbraunes Haar. Sie war klein und zart und nicht eigentlich hübsch. Aber etwas war an ihr, das seine Aufmerksamkeit erregte.
Miss Greene, dachte er, das bedeutet, es gibt keinen Mr Greene. Nicht, dass ihn das sonderlich interessierte. Das tat es nicht. Gerade jetzt stand eine romantische Beziehung nicht auf seiner Wunschliste. Obgleich seit Carolines Tod fast fünf Jahre vergangen waren, hatte er nicht das Bedürfnis, eine Ehefrau zu finden. Das Leben, das er und Susan miteinander führten, war gerade richtig.
Er gönnte sich einen letzten Blick in Susans Richtung. Gehorsam saß sie an ihrem Tisch. Ihre Aufmerksamkeit war auf die zwei kleinen Hasen gerichtet, die in getrennten Käfigen umherhoppelten. Nur der feste Griff, mit dem sie ihren Schulranzen an sich drückte, verriet, wie unsicher sie sich fühlte. Der Drang, den Justin empfand, sie aus all dem Lärm und Durcheinander zu erlösen, war fast überwältigend. Sie war doch erst fünf, ja kaum fünf, denn ihr Geburtstag war erst am ersten Juni. Die Schulbehörde würde keinen Einwand haben, wenn er sie erst mit sechs zur Schule schickte.
Doch Justin
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