Bianca Exklusiv Band 0226
Joes Cousin angerufen, mit dem er schon damals telefonisch in Verbindung getreten war in der Annahme, Joe zu sein. Er hatte sein Beileid zum Ausdruck gebracht. Dennoch hegte er das Gefühl, dem Mann noch nicht genügend Anerkennung gezollt zu haben, dessen Leben auf einzigartige Weise mit seinem verknüpft war.
Eigentlich hatte er geplant, an diesem Vormittag zu arbeiten. Andrew hatte jedoch einen Kinderarzt im Ruhestand gefunden, der einspringen konnte, bis sich ein dauerhafter Ersatz fand. Der Mann wollte sich an diesem Tag mit der Praxis vertraut machen, und Andrew war zugegen, um ihn einzuweisen.
Da Hugh erst später von Meg erwartet wurde, hatte er einen Umweg nach Oceanside gemacht, um Joe die letzte Ehre zu erweisen.
Von seinem Standort aus konnte er weit über das Meer blicken. Das Wasser glitzerte im Sonnenschein des späten Septembers. Mehrere Segelboote, die dem seines Freundes Rick ähnelten, glitten majestätisch durch das Wasser.
Hughs Kehle war wie zugeschnürt. Vor dreieinhalb Jahren, an einem Tag wie diesem, hatten Rick und er von Dana Point nach San Diego segeln wollen.
Hugh verstand immer noch nicht, wie die große Jacht unbemerkt so nahe hatte kommen können. Die Sonne musste Rick und ihn geblendet haben, und der Kapitän der Jacht war laut Auskunft der Küstenwache betrunken gewesen.
Im Kielwasser der Jacht war das Segelboot gekentert. Wider besseren Wissens hatten Rick und er keine Schwimmwesten getragen. Wie Rick ertrunken war, wusste Hugh nicht. Er bedauerte zutiefst, dass er seinen Freund nicht hatte retten können.
Er selbst war mit knapper Not davongekommen. Meg hatte ihm erzählt, dass er sehr viel Wasser geschluckt hatte und beinahe selbst ertrunken wäre. Hätte die Küstenwache nicht gerade nach Joe Avery gesucht, wäre Hugh Menton vermutlich nicht rechtzeitig gefunden worden.
Also war er nun hier, um zwei Männern Lebewohl zu sagen, und dazu einem Teil von sich selbst, der an jenem Tag geboren worden war und achtzehn Monate lang gelebt hatte.
„Ich habe nie wirklich geglaubt, dass Sie Joe sind“, hatte der Cousin am Telefon gesagt. „Joe war nie so zielstrebig wie Sie. Er war irgendwie eine verlorene Seele.“
Langsam ging Hugh am Pier entlang und beobachtete die Angler. Der Geruch von gebratenen Hamburgern aus den Restaurants mischte sich mit dem Fischgeruch des Meeres.
Ein Schatten begleitete ihn – unsichtbar, aber stark empfunden. Der Geist von Joe Avery.
Hugh war nicht sicher, ob er den anderen Mann aus Tennessee oder sein Alter Ego spürte. In seiner Vorstellung verschmolzen sie zu einer Einheit, einem einzigen rastlosen Wesen auf der Suche nach einem Ankerplatz.
Er war hierhergekommen, um Joes Seele zu helfen, Frieden zu finden – oder vielleicht auch, um sich selbst zu helfen, Vergangenheit und Gegenwart in Einklang zu bringen. Nun wusste er, dass es nicht auf einmal geschehen konnte, dass es Zeit brauchte.
Am Ende des Piers blieb Hugh stehen. „Leb wohl, Joe“, sagte er laut, und dann warf er einen Strauß weißer Rosen ins Wasser. Er beobachtete, wie die Blumen auf den Wellen schaukelten, sich voneinander trennten und allmählich seiner Sicht entschwanden.
Joes Geist blieb jedoch. Hugh spürte ihn rastlos einen Ort suchen, an den er gehörte. Er war irgendwie eine verlorene Seele …
Nachdenklich kehrte Hugh zu seinem Wagen zurück. Als er den Highway erreichte, wandten sich seine Gedanken dem restlichen Geheimnis zu.
Er wusste immer noch nicht, was sich an jenem Tag zugetragen hatte, als er von der Tankstelle verschwunden war. Er hoffte, dass die Erinnerung an diesem Wochenende zurückkehren würde. Vor allem aber konnten Meg und er nun, da er den neuen Job in der Tasche hatte, Pläne schmieden.
Seine Stimmung hob sich. Er war am Leben und hatte die Frau gefunden, die er liebte. Im Stillen dankte er beiden Joe Averys.
Als er den Wohnwagenpark erreichte und Megs Nachricht vorfand, war er etwas enttäuscht über den Aufschub ihres Wiedersehens. Andererseits war dieses Wochenende zum Teil dazu gedacht, seine alten Bekannten zu treffen.
Also bewahrte er seine gute Laune und fuhr zur Bowlingbahn. Sobald er eingetreten war, erblickte er Sam, Judy, Rosa und Ramon. Verblüfft wurde ihm bewusst, dass er das spanische Paar erkannte, obwohl er es bei seinem letzten Besuch nicht getroffen hatte.
Meg war gerade an der Reihe. Mit einem graziösen Schwung warf sie die Kugel, die glatt über die Bahn rollte und die Pins in die Luft wirbelte.
„Strike!“ ,
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