Bianca Exklusiv Band 243
erklären, dass du dich nicht für Belle Rouge interessierst.“
Er hob das Glas an die Lippen und leerte es. Die Wärme, die sich in seinem Magen ausbreitete, vertrieb jedoch nicht die seltsamen Gefühle, die ihn packten. Er wollte mit dieser jungen Frau kein Mitleid haben. In gewisser Weise hatte sie ihm seinen Vater und sein Zuhause weggenommen. Er wollte nicht an ihre Trauer denken. Es gefiel ihm auch nicht, wie kalt und verbittert sie war.
„Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass ich mich nicht für Belle Rouge interessiere. Die Plantage befindet sich seit dem achtzehnten Jahrhundert im Besitz der Familie McNally. Und ich habe nicht die Absicht, der Letzte in dieser Reihe zu sein.“
Müde stand sie auf und wollte den Raum verlassen.
„Wohin gehst du?“, rief Logan ihr nach.
„Ich lege mich hin. Du kannst eine Weile den Hausherrn spielen, der du ja gern sein möchtest.“
Bevor er noch etwas sagen konnte, zog Nicole sich hastig in ihr Schlafzimmer im ersten Stock zurück und zog sich aus. Nachdem sie in einen dünnen Bademantel geschlüpft war, legte sie sich auf das Bett und blickte aus dem breiten Fenster auf den Nussbaum-Hain.
Es war der erste April. Frühling war ins Land des Cane River gezogen. Überall blühten herrlich bunte Blumen in den Gärten, und die meisten Zuckerrohrfelder waren schon bepflanzt.
Nicole liebte diese Jahreszeit, war jedoch geistig und körperlich ausgelaugt. Seit dem Schlaganfall ihrer Mutter vor zwei Jahren war ihr Leben schwierig gewesen. Sie hatte versucht, das College abzuschließen und sich gleichzeitig um die einzige nahe Verwandte zu kümmern, die ihr noch auf der Welt geblieben war. Simones Tod nach einem zweiten Schlaganfall war ein Albtraum gewesen, der noch dazu erst enden würde, sobald Logan nach Shreveport zurückkehrte oder sie selbst auszog.
Offenbar war sie irgendwann eingeschlafen. Als sie nämlich die Augen wieder öffnete, war es im Zimmer dunkel, und sie fror. Matt stand sie auf und ging zum Schminktisch. Der Haarknoten hatte sich aufgelöst. Das Haar fiel jetzt in Wellen auf die Schultern. Nicole strich es aus dem Gesicht zurück, beugte sich zum Spiegel und stöhnte auf.
Sie war aschfahl und sah mitgenommen aus. Ihre Mutter wäre betroffen gewesen. Simone war eine schöne Frau gewesen, die ihrer Tochter beigebracht hatte, stets auf ihr Aussehen zu achten. Noch letzte Woche hatte ihre Mutter hier am Schminktisch gesessen, und Nicole hatte ihr Haar frisiert und gestylt.
Nicole ließ sich auf den Hocker sinken, legte die Hände vor das Gesicht und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sie musste sich damit abfinden, dass Simone nicht mehr lebte und sie nun völlig allein war.
Erst als sich zwei Hände auf ihre Schultern legten, merkte Nicole, dass jemand hereingekommen war.
„Was machst du hier?“ Verzweifelt wischte sie sich über die Augen. Logan sollte keinesfalls denken, dass sie sein Mitleid wecken wollte.
„Ich habe geklopft, aber du hast mich offenbar nicht gehört“, erwiderte er. „Ich habe Sandwiches gemacht. Du willst bestimmt etwas essen.“
Impulsiv wollte sie antworten, dass sie nichts wollte, schon gar nicht von ihm. Doch sie vermied es, noch schwächer zu erscheinen, als sie ohnedies war. Und dass er zu ihr heraufkam, war von seiner Seite die freundlichste Geste, die sie seit Langem erlebt hatte.
„Ich ziehe mich an und komme gleich nach unten“, sagte sie.
Logan kehrte in die Küche zurück, deckte den kleinen Tisch und füllte zwei Gläser mit Eistee. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich auf Belle Rouge wieder heimisch. Und er bedauerte zutiefst, dass ihm erst der Tod von Nicoles Mutter diese Freiheit gegeben hatte. Nicole mochte anderer Meinung sein, aber er hatte nicht gewollt, dass Simone starb. Jahrelang hatte er gehofft, sie würde aus seinem Zuhause und dem Leben seines Vaters verschwinden, aber er hatte weder ihr noch ihrer Tochter etwas Böses gewünscht.
Vermutlich konnte er Nicole nie davon überzeugen. Sie glaubte, er würde sie hassen. Vielleicht hatte er sie tatsächlich einmal ein wenig gehasst. Damals war er noch sehr jung gewesen und hatte seinen Vater gebraucht. Sie war aufgetaucht und hatte Lyles Zuneigung und Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Doch das war lange her. Jetzt wusste Logan einfach nicht, was er für Nicole empfand oder was er mit ihr machen sollte.
Als er ihre Schritte hörte, drehte er sich um. Sie betrat die geräumige Küche in Jeans und einem hellblauen T-Shirt, das
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