Bianca Exklusiv Band 243
wieder, Annabelle. Lass uns miteinander reden …“
„Nein.“ Die Antwort kam leise, aber doch bestimmt. „Ich habe meine Schwester schon zu lange allein gelassen. Das ist nicht gut. Ich trage die Verantwortung für sie und gedenke, entsprechend zu handeln. Dass ich vorhin weggegangen bin, war schon …“ Ärger und Wut überkamen Annabelle, und sie brach den Satz ab. Tränen stiegen ihr in die Augen. Bevor Adam reagieren konnte, hatte sie sich schon umgedreht und lief die wenigen Stufen in den Garten hinunter.
Adam sprang auf und wollte ihr nachlaufen, doch dann hielt er unvermittelt an. Was sollte er ihr nur sagen? Er hatte Annabelle nicht verletzen wollen, doch nun war es geschehen. Und das hatte sie ihn mehr als deutlich spüren lassen. Die Bemerkung über Verantwortung war ja wohl klar genug gewesen.
Er wurde immer zorniger und vergaß beinahe alle guten Vorsätze, die er in den letzten Tagen gefasst hatte. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien, doch er biss die Zähne zusammen. Eben noch schien sich ihm ein Stück Paradies aufzutun, jetzt aber war alles verflogen. Ärgerlich nahm er ein Kissen und schleuderte es in die Ecke.
Verdammt!
Die Entscheidung, alles fallen zu lassen um abzureisen, war schon schwer genug gewesen, da er wusste, dass sein Vater ganz und gar nicht damit einverstanden war, doch jetzt gab es schon zwei Menschen, die dagegen waren. Wieder starrte er lange in die schwarze Nacht. Nein, er musste in die weite Welt hinaus. Sonst würde er auf immer in diesem Nest hängen bleiben und sich fragen, wie es wohl gewesen wäre, wenn er seinen Träumen nachgegeben hätte.
Auf einmal dachte er wieder daran, wie es war, Annabelle zu küssen. Noch spürte er die sanfte Berührung auf den Lippen. Die Fragen würden nicht enden. Denn wenn er abreiste, würde er sich stets vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn er geblieben wäre. Mit ihr, mit Annabelle …
Adam schüttelte den Kopf, um diese trüben Erinnerungen zu vertreiben. Nicht weit entfernt konnte er ein Stück Meer sehen. Nach all diesen Jahren fragte er sich immer noch, was damals wohl gewesen wäre, wenn …
Er hatte es nicht bedauert, die Stadt zu verlassen. Die Arbeit als Kameramann auf den Expeditionen erfüllte ihn mit größerer Zufriedenheit, als er sich jemals hatte vorstellen können. Er hatte gerade eine Produktion abgeschlossen, mit der er besonders zufrieden war. Und die Beziehung zu seinem Vater hatte sich im Laufe der Zeit auch wieder normalisiert. Nur mit Annabelle war das Verhältnis gespannt geblieben.
Damals, als sie sich gestritten hatten, war er am nächsten Tag zu ihr hinübergegangen. Doch sie hatte vorgegeben, zu viel zu tun zu haben, um mit ihm über den Vorfall zu sprechen. Und so waren mehrere Wochen vergangen, bis der Tag der Abreise gekommen war. Er hatte versucht, sie anzurufen, doch die Antwort war wieder die gleiche: zu viel Arbeit. Diese offene Ablehnung schmerzte Adam sehr, und er beschloss, die Beziehung zunächst ruhen zu lassen. Stattdessen schrieb er Postkarten an Lia, auf denen er ihr erzählte, wie aufregend sein neues Leben war. Für den Fall, dass Annabelle die Karten las.
Aber diese kindischen Spielchen hatten schon lange ein Ende gefunden. Die Tatsache, dass Annabelle sich mit Steven Stephens, einem erfolgreichen Finanzberater und stadtbekannten Junggesellen, eingelassen hatte, zeigte Adam nur zu deutlich, dass sie nicht für ein gemeinsames Leben gemacht waren. Annabelle schien alles nach einem genauen Plan abzuwickeln. Und davon konnte sie offenbar nichts abhalten. Es gab keinen Platz für Spontaneität und menschliche Gefühle. Adam hätte niemals so leben können, das ähnelte zu sehr dem Stil seines Vaters. Der hatte erst nach dem zweiten Herzinfarkt verstanden, dass er etwas ändern musste, und sich mit Adams Mutter nach Arizona zurückgezogen.
Adam schnippte ein Stück abgeblätterter Farbe von der Fensterbank. Er musste sich eingestehen, dass Annabelle ihm fehlte. Sicher, sie war stets gut organisiert und zielstrebig gewesen. Aber gleichzeitig war sie warmherzig, und Adam konnte ihr fröhliches Lachen einfach nicht vergessen.
Auch wenn sie sehr unterschiedlich waren, hatten sie sich doch immer gut verstanden. Aber jetzt wusste Adam nicht, ob sie noch einmal wieder gute Freunde werden würden. Vielleicht mussten Mann und Frau einfach getrennte Wege gehen.
War es nicht an der Zeit, sich ein paar neue Freunde zu suchen? Schließlich konnte er nicht ewig bei sich zu Hause sitzen und
Weitere Kostenlose Bücher