Bianca Extra Band 2
sang, der Weston Wildcats.
Im ersten Stock hingegen wurde es totenstill. Eine ganze Minute lang stand Holly nur da und starrte ins Leere. Dann ging sie zu ihrem Toilettentisch und warf einen Blick auf ihr Spiegelbild.
Sie hatte Alex schon seit Jahren nicht gesehen … nicht seit der Highschoolzeit, als sie noch mit Alex’ Stiefbruder Brian zusammen gewesen war, Wills Vater – mit Brian, dem Musterknaben mit den guten Noten, einem aparten Äußeren und einer verheißungsvollen Zukunft.
Alex hingegen? Ein Jahr jünger und er verkörperte alles, was Brian nicht war – ein sportlicher Typ und ein Footballstar, aber wild, rebellisch und unfähig, sich Autoritäten unterzuordnen. Er war damals als Punk herumgelaufen, mit abstehendem blondiertem Haar und ganz in Schwarz gekleidet – schwarze Jeans, schwarze Jacke, schwarze Springerstiefel. Und er hatte in einer Band Gitarre gespielt.
Brian hatte Sicherheit bedeutet, Alex Gefahr. Brian war berechenbar gewesen, Alex das glatte Gegenteil. In der überschaubaren Welt der Highschool hatte man noch in Schubladen gedacht – die guten braven Mädchen schwärmten von Brian und die bösen Mädchen von Alex. Holly war in die erste Schublade gesteckt worden und ihre Freundin Brenda in die zweite.
Brenda hatte damals kein anderes Thema als Alex gekannt. „Holly, der Typ ist so sexy! Allein diese Oberarme – dieser knackige Po – wie kannst du das übersehen?“
Holly war bei Brendas deftiger Ausdrucksweise errötet und hatte die Achseln gezuckt. „Er ist eben nicht mein Typ. Und außerdem bin ich mit seinem …“
„… Stiefbruder zusammen, ich weiß. Mit Brian, dem Langweiler. Ich spiele trotzdem gerne deine Brautjungfer, solange nur Alex auch eingeladen ist. Wann heiratet ihr eigentlich? Nach seinem oder nach deinem Abschluss?“
Als Holly mit ihren Gedanken wieder in die Gegenwart zurückkehrte, lächelte sie ihrem Spiegelbild wehmütig zu. Die Erinnerungen an das naive Mädchen von damals verblassten und wichen den Erfahrungen der vierunddreißigjährigen Frau, die sie inzwischen war.
„Mom! Abendessen!“
Holly riss sich aus ihren Gedanken. „Ich komme schon, Will!“
So, jetzt würde sie sich ihrem Sohn widmen, der ihr mehr als alles andere auf der Welt bedeutete. Wozu in die Vergangenheit schweifen? Trotzdem … die Vorstellung, Alex wiederzusehen, war irgendwie … schräg.
Flüchtig spielte Holly mit dem Gedanken, sich umzuziehen, etwas überzustreifen, das weniger … oder mehr …
„Nein!“, ermahnte sie sich laut. Sie würde sich doch nicht wegen eines Mannes Umstände machen, der früher nie einen Hehl aus seiner Verachtung ihr gegenüber gemacht hatte! Zumal dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht hatte.
Holly nickte ihrem Spiegelbild also entschlossen zu und ging nach unten, um sich bei gutem Essen und angeregter Unterhaltung etwas zu entspannen.
Alex konnte ihr schlicht den Buckel runterrutschen! Sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen und würde ihn nach dem heutigen Abend hoffentlich auch nie wiedersehen. Sie würde ihn höflich, aber kühl und flüchtig begrüßen, und das war’s. Nur dreißig Sekunden, dann hatte sie es überstanden. Keine große Sache.
Keine große Sache, sagte Alex zu sich selbst. Absolut keine große Sache.
Dies warf jedoch die Frage auf, warum er jetzt schon seit fünf Minuten wie ein Idiot vor dieser verdammten Haustür herumstand. Er drehte sich zum mondbeschienenen Garten um und stützte die Ellenbogen auf das Verandageländer.
Wo lag eigentlich das Problem? Er und Holly waren eben keine Freunde gewesen, wenn überhaupt, dann eher Feinde. Verklemmt, spießig und angepasst, wie sie gewesen war, hatte sie alles verkörpert, was er während seiner Highschoolzeit verachtet hatte. Immer wenn er versucht hatte, ihr klarzumachen, dass es im Leben mehr gab, als nur auf Nummer sicher zu gehen, dann hatte sie ihn angesehen, als sei er verrückt geworden.
Außerdem war sie während seiner ganzen Schulzeit mit seinem dämlichen Stiefbruder zusammen gewesen, Brian. Schon allein das hatte gereicht, um sie aus vollem Herzen zu hassen.
Und jetzt, nach fünfzehn Jahren, hatte das launenhafte Schicksal ihn vor Hollys Haustür geführt, um ihren Sohn abzuholen, Brians Sohn. Einen tollen, ganz besonderen Jungen – die Art von Teenager, für den jeder Trainer oder Lehrer dankbar war.
Alex’ Gesichtszüge wurden ganz weich, als er an all die Jungs dachte, die er trainiert hatte. Auf ihre Art waren sie alle wunderbar,
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