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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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Heiligkeit eine Vertrauensperson suche, die in unmittelbarer Nähe des Kaisers tätig sei. Da sei man dann auf ihn, den
cappellano di corte
gestoßen, und dem wolle er nun die Frage stellen, wem ein Priester mehr verpflichtet sei: Gott oder dem Fürsten.
    „Gott natürlich“, sagte Don Tommaso schnell und fügte ein Bibelwort hinzu: „Aber ich versuche auch dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, wie uns das Evangelium lehrt.“
    Der Prälat nickte.
    „Freilich, freilich, aber wir wollen Gott und damit dem Stellvertreter Christi auf Erden doch die erste Stelle zubilligen.“
    Damit gab er zu verstehen, dass für Don Tommasos Spitzeltätigkeit – er nannte sie löbliches Bemühen – auch eine Belohnung in Aussicht stünde, nämlich ein kleines Bistum im sicheren Kirchenstaat. Das gab dann den Ausschlag und Don Tommaso erklärte sich einverstanden, gab aber zu bedenken, dass er nicht zum engeren Kreis um den Kaiser zähle und dorthin wohl auch nie gelangen werde. Der Prälat lächelte ermunternd.
    |235| „Bemüht Euch nur, mein Lieber, und denkt an den Lohn – hier auf Erden und später im Himmel.“
     
    Als der Kaiser Ende Mai nach Melfi zurückkam, erschrak Don Tommaso beim Anblick der schwangeren Donna Bianca. Wie hatte Scotus das wissen können? Bei dem Gedanken, dies könnte der Antichrist sein, fühlte der Hofkaplan eine Schwäche in den Beinen. Er spielte mit dem Gedanken, sich in ein Kloster zurückzuziehen, doch würde Gott diese Flucht vor der Verantwortung gutheißen? Und erst der Papst? Nein, das musste er jetzt durchstehen, um jeden Preis.
    Der Antichrist – jeder Gläubige kannte dieses Wort, doch die wenigsten wussten etwas damit anzufangen. Als Priester verwies man auf die Geheime Offenbarung des Johannes. Da war von einem Tier die Rede, das alles Volk anbetete, doch blieb unklar, warum. Freilich nannte Johannes manchmal auch Zahlen, aber wo wäre da anzusetzen, wenn der „Engel mit der Kette“ den Satan für tausend Jahre gefesselt in einen Abgrund stieß, um dann zu verkünden: Danach muss er für kurze Zeit freigelassen werden.
    Don Tommaso schüttelte den Kopf. Aber wann sind diese tausend Jahre vergangen? Vielleicht gerade jetzt und der Augenblick von Satans Freilassung ist gekommen. Dann herrscht er wieder für kurze Zeit. Nach Scotus’ Aussage würde das bedeuten, dass Bianca einen Knaben gebar, der als Antichrist „für kurze Zeit“ herrschen würde. Wie lange aber ist das? Hat der heilige Johannes dabei menschlichen Maßstab angelegt? In den Augen Gottes, so sagt man, sind tausend Jahre wie ein Tag. Wie aber misst Satan, auch er unsterblich? „Kurze Zeit“, das sind nach seinem Begriff wohl hunderte von Jahren … Außerdem, was ändert das schon? So oder so, die Worte der Apokalypse sind nicht auszulöschen und schon gar nicht von einem kleinen, sündigen und machtlosen Hofkaplan. Trotzdem fand er keine Ruhe und er ließ Donna Bianca nicht aus den Augen, betrachtete schaudernd den sich rundenden Leib. Wird es ein Mädchen, so dachte er, dann hat Scotus sich geirrt und ich werde so tun, als sei nichts geschehen.
    Friedrich, der sonst den kleinen dicken Don Tommaso kaum beachtete, befahl ihn kurz nach seiner Rückkehr zu einer Audienz. Dem Hofkaplan schlotterten vor Angst die Knie und er brachte kaum noch einen Bissen hinunter. Ahnte der Kaiser etwas? Friedrich |236| hatte inzwischen einen Ruf erlangt, der ihm Wunderbares zuschrieb. Chronisten, die seine Taten notierten, begannen ihn „
stupor mundi
“, das Staunen der Welt zu nennen. Vielleicht, so argwöhnte Tommaso, ist er tatsächlich fähig, mir ins Herz zu blicken und da wird er Bianca als Hexe entdecken … Andererseits ergab sich damit eine Gelegenheit, mit dem Kaiser selber zu sprechen und darüber nach Rom zu berichten.
    Der Sommer war längst ins Land gezogen und hatte den Tavoliere so reich geschmückt, dass er den strengen Ernst einer klaren, übersichtlichen Flachlandschaft verlor und mit dem üppigen Grün seiner Felder und Wälder, den Farben seiner blühenden Sträucher, Bäume und bunten Wiesen das Auge entzückte.
    Don Tommaso nahm nichts davon wahr und trotz Sommerwärme und seiner Fettpolster fror es ihn erbärmlich. Schließlich klammerte er sich an seinem Vorsatz fest: Ganz gleich, was der Kaiser ihm vorwarf oder von ihm forderte, er würde sich darauf hinausreden, seine Sünden als Mönch in einem strengen Kloster abbüßen zu wollen.
    Als er das Arbeitszimmer betrat, blickte der Kaiser kurz auf und

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