Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
anvertraut und so wirst du mich auf diese kleine Reise wohl begleiten müssen.“
„Aha, ich muss also! Eigentlich müsste ich längst bei meiner Familie in Pisa sein. Meine Frau ist schwanger und der Kaiser wollte schon im Frühjahr zurück sein. Jetzt neigt sich der Sommer dem Ende zu …“
Bianca unterbrach ihn.
„Der Kaiser wird seine Gründe haben.“
Es war ja auch nur leeres Gerede, denn Giordano tröstete sich schon seit Wochen mit einer jungen Dame, die von ihrer Familie an einen alten Hagestolz verheiratet worden war und sich dadurch rächte, dass sie ihn nach Strich und Faden betrog. Ja, das war eine Frau! Sie mit der seinen zu vergleichen, war, als wollte man ein Schaf an einem Fuchs messen. Nach dem Stadtheiligen hieß sie Antonia, doch an ihr war nichts Heiliges, denn in ihrer durchtriebenen Schlauheit ähnelte sie tatsächlich einer Füchsin, auch äußerlich. Ihr braunrotes Haar umrahmte ein schmales Gesicht, in dem die honigfarbenen Augen mutwillig funkelten und die schmale spitze Nase angriffslustig nach vorne ragte wie ein gezückter Dolch. Wenn sie lachte, war eine Reihe auffallend langer Zähne zu sehen, die sie häufig mit der Zunge betastete, wie um zu sehen, ob sie noch alle vorhanden seien. War Giordano in sie verliebt? Er jedenfalls glaubte es, doch war es eher Bewunderung für die furchtlos zupackende Frau, die auf eine Weise lügen konnte, wie er es noch niemals erlebt hatte.
Mit ihrem Gatten bewohnte sie ein schönes großes Haus nahe dem Dom und als sie ihm die Geschichte ihrer Ehe erzählte, klopfte sein Herz vor Empörung, obwohl es ähnliche Fälle häufiger gab. Aber da es um Antonia ging, legte er andere Maßstäbe an. Sie war die einzige Tochter eines Tuchhändlers, der seine ganze Hoffnung auf den Sohn gesetzt hatte. Der aber war ein Tunichtgut, verprasste die väterlichen Dukaten und war leichter in bestimmten Kneipen |281| als im Tuchlager zu finden. Es kam, wie es kommen musste: Bei einer Rauferei fand er den Tod und im Morgengrauen entdeckte man seinen nackten Leichnam.
Nun ruhten die Hoffnungen des Vaters auf Antonia, für die man einen ins Geschäft passenden Bräutigam finden musste. Inzwischen ging sie dem Vater zur Hand. Bald konnte sie die verschiedenen Stoffe – Brokat, Samt, Seide, auch aus Wolle oder Leinen gefertigte Gewebe – nach ihrer Qualität unterscheiden. Sie lernte Fälschungen erkennen, etwa wenn für Brokat statt Goldfäden nur vergoldete Bronzefäden verwendet wurden, die nach einigem Gebrauch grün anliefen. Der Vater hätte zufrieden sein können, doch Antonia zeigte keinerlei Verlangen nach einer Ehe. Sie wurde sechzehn, siebzehn und an ihrem achtzehnten Geburtstag redete der Vater, unterstützt von der Frau Mama, ihr ernsthaft ins Gewissen.
„Du bist ein kluges, arbeitsames Mädchen, das mir in meinen Geschäften zur Hand geht wie sonst ein Sohn. Doch nun sind deine Mutter und ich alt geworden und deine wie auch die Zukunft unseres Geschäftes machen mir ernsthafte Sorgen. Wenn es Gott gefällt, mich plötzlich abzuberufen, so stehst du mit deiner Mutter allein da, aber wer soll die Geschäfte weiterführen?“
„Ich“, sagte Antonia schnell, „auch wenn es selten vorkommt, so ist es doch nicht ungewöhnlich.“
Dann nannte sie einige Beispiele aus der Stadt, da eine Witwe Laden oder Werkstatt ihres verstorbenen Gatten weiterbetrieben hatte. Der Vater schüttelte den Kopf.
„Ich kenne diese Fälle, doch das sind Beispiele ohne Wert, weil Ehefrauen die Geschäfte weiterführen, und wenn es ein Handwerk war, so übernahm es der älteste Geselle. Du aber bist meine ledige Tochter und die meisten Kunden werden sich weigern, mit dir Geschäfte zu machen. Mit achtzehn bist du nach unseren Gebräuchen an der äußersten Grenze, um noch eine Ehe schließen zu können. Da kommen die Mädchen entweder ins Kloster oder unter die Haube.“
Antonia wusste natürlich, dass der Vater Recht hatte und versuchte ihre Abneigung gegen den Ehestand zu überwinden. Doch dann kam alles ganz anders. Um Tochter und künftigem Schwiegersohn ein blühendes Gewerbe zu übergeben, beteiligte sich der Tuchhändler an einem
vascello mercantile
, also einem der oft sehr riskanten, doch bei Erfolg sehr ertragreichen Kauffahrergeschäften, die über Venedig abgewickelt wurden. Wie meist ging es auch in |282| diesem Fall um die Brokateinfuhr aus China, der begehrte Stoff kostete dort nur einen Bruchteil dessen, was hier dafür zu bezahlen war. Das Schiff aber wurde
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