Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
die in Italien aufgewachsen waren und wegen ihrer Sprachkenntnisse zu ihrer engeren Gefolgschaft zählten. Gleichsam als Quartiermacher waren die beiden noch jungen Männer von Verona nach Padua vorausgereist und hatten dort einige Tage verbracht. Nach kurzer Zeit schon teilte ihnen der Wirt ihrer Nobelherberge mit, dass noch eine andere Frau des Kaisers in Padua einen – wenn auch bescheidenen – Hof unterhielt. Natürlich wusste Isabella seit einiger Zeit, dass es eine Reihe von Konkubinen gegeben hatte und noch gab, und auch der Name einer Favoritin war gefallen. Isabella war davon wenig berührt, denn sowohl bei ihrem Vater wie auch bei ihrem Bruder hatte es königliche Konkubinen gegeben – das gehörte einfach dazu. Also gut, der Name Bianca war ihr im Gedächtnis geblieben und nun musste sie von ihren Spitzeln hören, dass diese Frau ihm nicht nur drei Kinder geboren hatte, sondern in nächster Nähe des Klosters Santa Justina untergebracht war, während ihr eigener Wohnort gut drei Reitstunden entfernt lag. Das war irgendein kleines Dorf namens Noventa an irgendeinem kleinen Fluss namens Brenta. Da saß sie nun, von ihren Eunuchen bewacht, und fühlte sich von aller Welt verlassen. Das war schockierend und ihr Bruder, der englische König, hätte es wohl auch so empfunden. Aber was konnte sie tun? Irgendwie musste sie ihrer Empörung Ausdruck verleihen, also ließ sie ihren Sekretär kommen, denn sie wollte sich in einem Brief an Friedrich über die Bevorzugung dieser – dieser
mistress
beklagen. Nun stand der Sekretär an seinem Pult, hielt die frisch geschnittene Gänsefeder in der Hand und war dabei, sie ins Tintenfass zu tauchen. Nein, dachte sie, einen Mitwisser darf es nicht geben, und so befahl sie:
„Lass das Schreibzeug da, ich werde es selber machen.“
„Aber Eure Majestät, Ihr könnt doch nicht …“
|275| „Und ob ich es kann – hinaus mit dir!“
Hatte sie jemals eigenhändig einen Brief verfasst? Sie konnte sich nicht erinnern. Doch, mit vierzehn oder fünfzehn hatte sie einen heimlichen Briefwechsel mit der gleichaltrigen Tochter einer Hofdame geführt, bis sie dahinterkam, dass der als Bote dienende Page die Briefe ihrer Mutter zum Lesen gab. Da streckte doch tatsächlich einer der Eunuchen seinen Kopf herein und säuselte mit Fistelstimme:
„
Un ordine, vostra maiestà
?“
„
Fuori, fuori
! rief sie empört.
Der Kopf verschwand. Vermutlich hatte der Sekretär den Eunuchen von ihrer Absicht berichtet, selber etwas schreiben zu wollen. Sie klingelte nach ihrer Zofe und befahl ihr, von draußen die Tür zu bewachen und keinen hereinzulassen. Diese schon etwas ältere Frau war treu wie Gold und hätte sie niemals verraten. Seufzend tauchte sie die Feder ein und schon war ein Klecks auf dem Papier. Sie fluchte ganz unköniglich und nahm ein neues Blatt. Da sie Italienisch nur schlecht beherrschte, wollte sie das Englische benutzen, doch dann fiel ihr ein, dass Friedrich diese Sprache nicht verstand. Sie hatte inzwischen so viel Italienisch gelernt, dass es für einfache Gespräche reichte, aber nicht für einen Brief. Nicht für diesen Brief! Da musste jedes Wort klar und verständlich sein. Aber nichts davon durfte nach draußen dringen! Sie seufzte schwer. Mein Gott, ich sitze hier wie in einem Gefängnis und kann keinem trauen. Dann ging sie zur Fensterbank, kauerte sich zusammen und begann zu schluchzen, hörte aber bald wieder auf, tupfte sich die Tränen ab und rief: „Mary!“
Die Zofe huschte herein.
„Madam?“ Sie als Einzige durfte sie derart anreden.
„Mary, ich bin verzweifelt! Gerade wollte ich einen Brief an Seine Majestät schreiben, einen etwas intimen, verstehst du, aber das Englische beherrscht er nicht und mein Italienisch ist dürftig. Was soll ich nur tun?“
Mary dachte nach und schloss ihre wasserblauen Augen.
„Worum geht es, Madam?“
„Ach so – na ja, warum sollst du es nicht wissen. Du wirst davon gehört haben, dass nahe dem Kloster Santa Justina seine Kebse mit ihrer ganzen Brut wohnt. Da braucht er nur hinüberzugehen und hüpft in ihr Bett. Mich aber hat er in dieses Wüstenland abgeschoben |276| und da sitze ich nun und kann warten, bis Seine Majestät sich hierherbequemt. Wenn überhaupt, wo er sein Liebchen doch gleich zur Hand hat. Das ist unglaublich! Oder etwa nicht?“
Die Zofe nickte mehrmals.
„Dass er ein seltsamer Mensch ist, hat sich ja auch bis nach England herumgesprochen, aber ich verstehe Euch schon. Wenn Ihr ihm
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