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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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ausgedehnte Gespräche, wobei Don Bartolomeo nicht selten vergaß, dass er mit einem siebenjährigen Kind über Dinge redete, die weit über dessen Verständnis lagen.
    Der mehrfach vergrößerte Lancia-Palazzo – viele Generationen hatten daran gebaut – lag am nordöstlichen Stadtrand auf einem sanften Hügel zu Füßen des Monte Pisano. Früher mochte der Blick auf die Stadt noch frei gewesen sein, jetzt aber versperrten Pappeln, Platanen und mächtige Eichen die Sicht. Der Vater hatte da immer eine Schneise schlagen wollen, aber der
nonno
sperrte sich dagegen mit den Worten:
    „Wenn wir von oben die Stadt nicht sehen, bleibt auch von unten unser Haus verborgen. Gerade das schätze ich …“
    |31| Da Don Tommaso nun tot war, gab es keine Auseinandersetzungen mehr darüber.
    An einem milden, sonnigen Spätherbsttag saßen sie nach dem Mittagsmahl im Freien. Galvano und Giordano hatten sich nach dem Essen schnell verdrückt, weil sie Gespräche mit dem Großvater wegen seiner strengen Gelehrsamkeit fürchteten. Bei Bianca war das freilich nicht der Fall. Sie war gerade sieben geworden, als Don Bartolomeo plötzlich von seiner Familie zu sprechen begann.
    „Deinen Brüdern habe ich es schon erklärt, sie werden ja zeitlebens Träger unseres Namens sein, während du später den deines Gatten übernehmen wirst. Trotzdem wirst du – so gut kenne ich dich – deine Herkunft niemals verleugnen und nie vergessen, dass du eine geborene Lancia bist. Was hat es also mit diesem Namen auf sich? Sprachlich gesehen, kann man ganz Verschiedenes daraus ableiten. Der Begriff einer bestimmten Waffe liegt am nächsten und wir denken an Lanze, Spieß, Speer. Aber auch für schmale Boote wird dieses Wort gebraucht, also für Kahn oder Nachen. Ebenso lässt es sich auf einen Menschen übertragen, etwa
lancia
für Speerwerfer. Damit nähern wir uns dem Bezug zu unserer Familie. Bei den alten Römern gab es die
lancea
, das war eine Wurfwaffe, welche die dafür gründlich Ausgebildeten mit tödlicher Sicherheit handhaben konnten. Die kaiserliche Leibwache nannte sich
lanceari
und nahm nur Männer aus angesehenen Familien auf – wenigstens in den Glanzzeiten des Römischen Reiches. Eine Familienlegende spricht davon, dass ein verdienter Centurio dieser Leibwache nach Ablauf seiner Dienstzeit mit Land in der Gegend von Pisa beschenkt wurde. Er könnte unser Urahn geworden sein. Weniger wahrscheinlich, dafür aber viel schöner, viel aufregender ist eine Herkunft vom Ritter Lancelot aus der Artussage.“
    In sein beherrschtes, kluges und sorgfältig barbiertes Gesicht trat etwas wie Neugierde, eine Eigenschaft, die er sonst weniger schätzte. Aber jetzt wollte er wohl erkunden, ob Bianca von dieser Sage schon gehört hatte.
    Sie lächelte verschmitzt, auf eine Weise, die keiner der Jungen zustande brachte. Die konnten nur frech grinsen oder schallend lachen.
    „Habe ich davon gehört? Ich glaube schon, der Lehrer hat es einmal erwähnt.“
    „Erwähnt? Ganz kurz, in Umrissen oder ausführlich?“
    |32| „Kurz nur, glaube ich.“
    „Glaube, Donzella Bianca, ist ein Mangel an Wissen. Aber wie dem auch sei, du wirst dich an die berühmte Tafelrunde dieses englischen Königs erinnern können. Einer der daran teilnehmenden Ritter war Sir Lancelot. Als er am Hofe dieses Königs in Erscheinung trat, war um ihn eine Aura des Geheimnisvollen. Er kam aus der Bretagne, soll dort an einem See von einer Zauberin großgezogen worden sein. Später stellte sich heraus, dass er der Sohn des bretonischen Königs Ban und seiner Frau Alene war. Seinen Ritterschlag erhielt er von König Artus auf der Burg Kamalot, da war er gerade achtzehn Jahre alt. Von nun an musste er alle Rechte und Pflichten eines christlichen Ritters übernehmen.
    Da setzt wieder unsere Familiengeschichte ein, die davon spricht, dass Lancelot in ganz jungen Jahren, kurz nach dem Ritterschlag, im Zorn einen Mann getötet hat. Bei Verstößen konnte er nur von seinesgleichen gerichtet werden und unser Lancelot wurde zu einer Pilgerfahrt ins Heilige Land verurteilt. Man könnte nun sagen, dass das Adelsgericht es einem der ihren sehr leicht machte mit dem Schuldspruch. Eine Fahrt ins Heilige Land – was ist das schon? Noch dazu waren damals die heiligen Stätten alle in christlicher Hand, beherrscht vom Oströmischen Reich. Sir Lancelot brauchte also von den Britischen Inseln bis Jerusalem christlichen Boden nicht zu verlassen. Jetzt, da die Muselmanen Palästina beherrschen, ist

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