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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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die Frage, ob der Bär die Hirten getötet hatte, um an Nahrung zu gelangen. Ein alter Jägersmann aus Calci – er |27| hatte sich sofort Don Tommaso angeschlossen – schüttelte heftig seinen Kopf.
    „Nein, Herr, Bären sind keine Menschenfresser. Es ist aber so, dass sie im Spätherbst ihre bevorzugte Nahrung nicht mehr finden, sich aber für den Winterschlaf rüsten wollen. Den überstehen sie nur, wenn sie feist genug sind.“
    „Du sprichst von ihrer gewohnten Nahrung? Was ist das?“
    Der alte Jäger grinste.
    „Bei so großen Tieren klingt es schon seltsam, aber sie bevorzugen Obst, Waldbeeren, Getreide, Pilze, Schnecken – lauter Kleinzeugs. Geht das aber zu Ende und sie fühlen sich nicht dick genug, dann reißen sie irgendwelche gerade erreichbaren Tiere. Das können Schafe sein, auch Ziegen, Kälber, sogar Pferde. In diesem Fall liefen ihnen die Schweine über den Weg und die Hirten stellten sich ihnen vermutlich entgegen. Da richtet sich dann der Bär zu seiner vollen Größe auf – das können über drei Ellen sein – und schlägt mit den Pranken zu. Zwei oder drei Hiebe genügen und der Mensch liegt da wie ein Stück Hackfleisch.“
    Don Tommaso schüttelte den Kopf und fragte ärgerlich: „Sind denn diese Hirten nicht bewaffnet?“
    „Nein, das hat Euer Vater verboten – die Anweisung liegt beim
podestà
.“
    „Mein Vater? Aber der hat doch mit der Jagd …“
    „Nein, Don Tommaso, da geht es nicht um die Jagd, sondern darum, die Hirten vom Wilddiebstahl abzuhalten. Ich selber war dreißig Jahre lang im Dienst Eures Vaters Jagdaufseher und habe darauf geachtet, dass dieser Befehl befolgt wurde.“
    „Hm“, sagte Don Tommaso und blickte etwas verlegen drein, „da werde ich wohl mit meinem Vater reden müssen.“
    Zwei Tage lang gingen sie auf die Pirsch und am Abend des dritten – auf Anraten des alten Jägers hatten sie eine tote Ziege ausgelegt – sahen sie, wie ein riesiger Braunbär sich dem Aas näherte. Er richtete sich auf und blickte schnaubend um sich. Da war Don Tommaso nicht mehr zu halten, gab seinen Gehilfen ein Zeichen und zu dritt drangen sie mit vorgestreckten Spießen auf ihn ein. Das Tier reagierte sofort. Mit schnellen Prankenhieben fegte es die Lanzen beiseite und griff den ihm Nächststehenden wütend an. Das aber war Don Tommaso, den sein Jagdeifer vorwärtstrieb. Die langen Krallen des Bären schlitzten ihm die Halsschlagader auf und |28| noch während die anderen das Tier zu töten versuchten, verblutete Don Tommaso Lancia auf dem Waldboden. Das geschah im Jahr des Herrn 1216 am sechsten Oktober.
    Auch Jörg war dabei schwer verletzt worden, die messerscharfen Krallen des Bären hatten ihm den linken Oberarm und einen Teil der Brust aufgerissen. Als Jörg in Bertas Obhut kam, war er halb verblutet und tief bewusstlos. Ihre Heilkenntnisse hatte sie von der Mutter übernommen und da hieß es bei Blutverlust und großflächigen Wunden die Blutbildung zu fördern und die Wunde so sauber wie möglich zu halten. Sie mischte starken Rotwein mit feingestoßenem Eisenrost und flößte dem Fiebernden so viel wie möglich davon ein. Das Fieber, so meinte sie, habe eher eine heilende Wirkung, solange es nicht zu hoch steige. Die Wunden behandelte sie mit einem Absud von Beinwell, wie sie diese Pflanze nannte, die auch hier auf sumpfigen Wiesen häufig zu finden war. Zwei Wochen später war Jörg schon wieder auf den Beinen und meinte, die paar Kratzer hätte er auch ohne besondere Pflege leicht überstanden. Da tippte sich Berta an die Stirn und schüttelte den Kopf. Bianca brachte diese Geste zum Lachen und Jörg ergriff die Flucht. Eine Frau und ein Mädchen, das hielt er nicht lange aus.
    Donna Gaetana verfiel in tiefe Trauer, seelischer Schmerz verdunkelte ihre Tage und zeitlebens fand sie nicht mehr ans Licht zurück. Sie siedelte in ein Klosterhospiz über und starb zwei Jahre nach ihrem Gemahl. Da war Bianca gerade fünf geworden und wenn sie es auch nicht eingestand, so hielt sich ihre Trauer über den Tod der Mutter doch in Grenzen. Sie hatte ja ihre Amme Berta, mit der zusammen sie eine verschworene Gemeinschaft bildete.
    Wenn sich der jetzt sechzehnjährige Galvano als zweites Familienoberhaupt besonders spreizte, dann begann Bianca in deutscher Sprache über diesen „dummstolzen Gockel“, dem „noch die Eierschalen hinter den Ohren kleben“, zu lästern. War Berta zugegen, dann gab es ein großes Gekichere auf Kosten der „Männer“ – auch der jetzt

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