Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
das Gerät und schüttelte es wie von Sinnen. Dann warf er die
ampollina
zu Boden, doch da lagen Teppiche und so blieb sie heil.
Er lief hinaus, brüllte nach seinem Pferd und sprang wütend in den Sattel. Er ritt die Brenta entlang in Richtung auf Dolo, einen kleinen, aber recht lebhaften Ort, denn von da an war der Fluss schiffbar. Es gab Wagenremisen und Pferdeställe für all jene, die hier ein Schiff bestiegen. Giordano hielt an einer Kneipe, sprang vom Pferd und übergab die Zügel einem
garzone
, der es nicht eilig zu haben schien.
In der Kneipe gab es geschmortes Lamm, das vorzüglich schmeckte, dazu trank er einen großen Krug mit Quellwasser gemischten Weines. Inzwischen war er ruhiger geworden und am Sonnenstand sah er, dass er noch etwa vier Stunden bis zum Treffen mit Antonia herumbringen musste. „
Ingannare il tempo
“ sagte man hierzulande, |297| und das hieß, die Zeit zu täuschen, zu betrügen. Aber wie? Er bezahlte und führte sein Pferd zum Flussufer, wo für die Anlegestelle die Uferauen weiträumig gelichtet waren. Sogleich kam ein
battelliere
herbei und offerierte eine Fahrt nach Venedig. Er sei preiswerter als alle anderen und sein Schiff biete alle Bequemlichkeiten und … Giordano winkte ab und bestieg sein Pferd. Er ließ es nach Lust und Laune traben und als im Süden die Kuppeln von San Antonio auftauchten, war die himbeerrote Sonne schon dabei, sich zur Ruhe zu legen. Vor dem Zelt ließ er sich von seinem Burschen ein paar Scheffel Wasser über den Kopf gießen und legte dann dunkle, unauffällige Kleidung an. In das fragende Gesicht seines
garzone
hinein sagte er unwillig:
„Nein, du brauchst nicht mitzukommen, ich schaue vielleicht bei meiner Schwester vorbei. Aber besauf`dich nicht!“
Das war ein alter Scherz zwischen ihnen, denn der Junge legte jeden Kreuzer zurück, um bald heiraten zu können. Er war der Sohn eines Pachtbauern der Grafen Lancia und sollte so lange in der Truppe dienen, bis es für einen Hausstand reichte. Giordano wusste das alles und hatte seinen Spaß daran, den Burschen zu necken.
„Überlege es dir hundert Mal, ehe du mit einer Frau vor den Altar trittst! Ich habe es mir neunundneunzig Mal überlegt und wäre beim hundertsten vielleicht klüger gewesen. So warten jetzt Frau und Kind auf mich …“
Antonia hatte ihm das Haus genau beschrieben, es lag südlich der Eremitenkirche in einer Seitengasse und über dem Portal war eine Gans in den Stein gemeißelt. Natürlich hatte er das Haus schon vorher ausfindig gemacht, denn in der Dämmerung wäre es schwierig gewesen, sich zurechtzufinden.
Als er in die schmale Gasse einbog, blickte er sich behutsam um und schob seine Kappe tiefer in die Stirn. Dann näherte er sich mit langsamen Schritten dem „Haus zur Gans“. Stand da nicht wer neben dem Portal, eng an die Wand geschmiegt? Inzwischen war es dunkel geworden, da und dort flackerte ein Licht, meist waren es Öllampen in einer Mauernische vor einem Heiligenbild.
In gehörigem Abstand ging er an dem Haus vorbei und was er für einen Menschen gehalten hatte, erwies sich als Pfahl zum Anbinden der Pferde. Giordano blieb stehen, bewegte sich auf das Gebäude zu und als er leise klopfen wollte, ging lautlos die Tür auf. Eine Gestalt winkte ihn herein, ungeduldig und mit hastigen Bewegungen. |298| Offenbar war es die „Base“, eine Frau mittleren Alters mit einem herben, abweisenden Gesicht. Wortlos deutete sie auf eine Treppe, die steil aufwärtsführte. Wie bei einer Leiter musste er sich mit den Händen abstützen und oben vor der niedrigen Decke den Kopf einziehen. Die Base hatte von unten mit erhobener Lampe seinen Weg erhellt, nun aber kam das Licht aus einer seitlichen Tür, die sich öffnete. Da hörte er ihre vertraute Stimme:
„Giordi, komm rein!“
Niemand sonst nannte ihn so, doch dieser Kosename gefiel ihm nicht schlecht. Sie zog ihn am Arm in eine Art Dachkammer mit schrägen Wänden und einem kleinen Fenster. Antonia ließ sich umarmen und küssen, doch er spürte eine ungewöhnliche Zurückhaltung.
„Was ist los? Wir haben uns doch hier getroffen, um zu …“
„… um zu ficken – ja, das auch, doch vorher gibt es etwas zu bereden.“
Sie stellte das blakende Lämpchen auf ein Wandbord und dann setzten sie sich aufs Bett.
„Jetzt hör mir gut zu. Der Alte wird zusehends misstrauischer und ich hege den Verdacht, er lässt mich beobachten. Ich habe keinen Beweis dafür, doch es gibt Anzeichen. Er wirft mir jetzt vor, ich sei
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