Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
wusstest von seinen elenden Kerkern, hast den längst Gebrochenen dort bewachen lassen wie eine gefährliche Bestie – über sechs Jahre lang hat es dich nicht bewegt. Seine Reue und Einsicht hätten dich veranlassen müssen, eine andere Lösung zu finden. Kaiser Augustus, der doch dein Vorbild ist, hat seinen Gegnern nicht nur verziehen, sondern sie in seine Nähe gezogen und sie waren nicht seine Söhne.“
Etwas wie spöttischer Triumph erschien auf Friedrichs Gesicht.
„Das ist leider nur die halbe Wahrheit, denn seinen eigenen Kindern gegenüber war er hart und unnachsichtig. Seine Tochter Julia hat er wegen ihres anstößigen Lebenswandels auf eine karge Insel verbannt und er hat dieses Urteil niemals zurückgenommen. Es ist schon so, dass man von den eigenen Kindern mehr erwartet und sie auch härter bestraft, wenn sie einen enttäuschen.“
„Wir Christen sollten uns eher an das Beispiel vom verlorenen Sohn halten, der reuig zurückkehrte und sagte: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Hat Heinrich nicht ähnlich gesprochen? Anstatt ihn nach einer angemessenen Buße wieder aufzunehmen, hast du ihn verstoßen und verdammt. Vielleicht |380| hat sein Tod in dir so etwas wie Reue oder Bedauern ausgelöst, doch Heinrich hat nichts mehr davon, er hätte es zu Lebzeiten gebraucht.“
Friedrich schwieg, schüttelte den Kopf, erhob sich und sagte im Hinausgehen:
„Gerade von dir hätte ich mehr Verständnis erwartet.“
Friedrich war klug genug, um zu erkennen, dass Biancas Vorhaltungen nicht grundlos waren, doch das mochte er sich nicht eingestehen. Für ihn, dem Mann der Tat, wurde es allmählich unerträglich, immer wieder auf eine Nachricht aus Anagni zu warten, wo das Konklave nach wie vor ergebnislos tagte. Bianca, gleichsam sein lebendes Gewissen, wollte er jetzt nicht sehen und sogar die Jagd machte ihm keine Freude mehr.
Inzwischen hatte der Frühling das Land erobert, die Natur erwachte, entfaltete Kräfte, die Säfte stiegen, brachte die Pflanzen zum Keimen und Blühen. Auch Mensch und Tier gerieten in diesen Sog, übermächtig regte sich die Lust am Zeugen und Schwängern, in den Bienenstöcken, umschwärmt von Drohnen, rüstete sich die Königin zum Hochzeitsflug, die Vögel bauten Nester für die künftige Brut, die Hasenböcke kämpften lautlos auf grünen Feldern, während die grellen nächtlichen Liebesrufe der Kater weithin zu vernehmen waren. Und sogar der Mensch, obwohl ganzjährig zum Zeugen bereit, machte da keine Ausnahme: Was er das Jahr über zwar mit Lust, doch eher nebenher betrieb, wurde im Frühling, vor allem für die Jugend, zum Sinn und Zweck des Daseins, zum Hauptziel, zur liebsten und wichtigsten Tätigkeit.
Kaiser Friedrich gehörte zwar nicht mehr der Jugend an, doch seine Neigung zu Frauen hatte nicht abgenommen und die Umstände brachten es mit sich, dass sich etwas in ihm angestaut hatte, das vordergründig nichts mit dem anderen Geschlecht zu tun hatte und dennoch dort Entladung und Erlösung suchte.
Wir haben gesehen, dass Friedrich, was zuvor kaum geschehen war, den Umgang mit Bianca mied, auch bedingt durch uneingestandene Reue über den – mitverschuldeten? – Tod des Sohnes. Dazu kam die steigende Ungeduld wegen der zögerlichen Papstwahl auch ein nie gekannter Überdruss an der zeitlebens doch immer so geliebten Jagd. Jetzt konnte nur eines helfen, nämlich seinen getreuen Sarazenen in Lucera einen Besuch abzustatten, der |381| freilich, wie schon öfter geschehen, weit über eine Truppenschau hinausging.
Nachdem sein Kommen angekündigt war, entfaltete der
aga
der dort ansässigen Truppen eine lebhafte Tätigkeit, wohl wissend, was der Kaiser erwartete. Als Erstes wurde das Palastkastell einer gründlichen Inspektion unterzogen. Die hohe, abweisend wirkende Mauer überragte ein zweigeschossiger Wohnturm, der – von außen nicht sichtbar – am Sockel von einem kleinen kunstvoll angelegten Garten mit zierlichen Wasserspielen und marmornen Sitzbänken umgeben war. Innen war die Mauer von Wohn- und Aufenthaltsräumen durchbrochen. Dort hielt sich ständig eine aus den tüchtigsten Kriegern gebildete Palastwache auf, die im Bedarfsfall nicht nur den Kaiser, sondern auch einen beträchtlichen Teil des sizilischen Staatsschatzes zu bewachen hatte.
Im unteren Geschoss des Palastturmes gab es Räume für einen Harem, den aber erst kurz vor der Ankunft des Kaisers Eunuchen zusammenstellten, die seine Vorlieben kannten. Dazu wurden etwa
Weitere Kostenlose Bücher