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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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Castellano der Burg von Nicastro, einem elenden Bergnest in Calabria, sandte einen etwas ungelenken Brief, in dem er verschiedene Umstände schilderte, die seinen Gefangenen betrafen, den gestürzten König Heinrich. Die Burg sei in einem so erbärmlichen Zustand, dass es immer schwerer falle, den hohen Gefangenen dort menschenwürdig zu versorgen. Die Räume seien klein und feucht, das Dach undicht, die Bewacher so faul wie unzuverlässig. Es müsse einiges an Geld und Arbeit aufgewendet werden, um Abhilfe zu schaffen, doch seine diesbezüglichen Anfragen seien bislang unbeantwortet geblieben.
    Friedrich, derzeit in bester Stimmung, weil von nirgendwoher eine unmittelbare Gefahr drohte und seine Familie um ihn war, fühlte sich angerührt. Heinrichs Verrat lag jetzt sechs Jahre zurück und der Kaiser hatte einen größeren Abstand dazu gewonnen. So fasste er den Entschluss, Heinrichs Lage zu verbessern und ihm das weitaus bequemere, auch gut zu überwachende Castello di Cosenza als neuen Aufenthaltsort zuzuweisen. Er sandte einen Eilboten nach Nicastro, mit dem Befehl, den Gefangenen sofort auf den Weg zu bringen, ohne ihm das Ziel zu nennen. Eine Vorfreude wollte er dem Verräter nicht gönnen …
    Der Burgvogt von Nicastro war zusammen mit dem Capitano der Wachmannschaft für Heinrich verantwortlich, Ersterer für den Zustand und die Ausbruchsicherheit der Festung, Letzterer für die |374| Person des Gefangenen mit allem, was damit zusammenhing. Da traf nun das Schreiben des Kaisers ein, doch die beiden konnten nur mit größter Mühe lesen und so wurde der Cappellano zugezogen.
    Dieser alte, wunderliche Kauz befasste sich mehr mit Pflanzen als mit den Seelen der ihm Anvertrauten. Wer bei ihm beichtete, musste damit rechnen, nach der hastig erteilten Absolution sofort auf verschiedene Gesundheitsfragen antworten zu sollen: Kein Husten? Leibweh? Fieber? Wie steht’s mit den Zähnen? Schwer heilende Wunden? Und so ging es weiter und wenn das Beichtkind alles verneinte, rief der Kaplan: „Dann scher dich fort!“ Bei älteren Leuten aber fehlte es schon da oder dort und die mussten dann mit ihm in seine kleine Wohnung neben der Burgkapelle gehen, wurden weiter ausgefragt und schließlich mit der geeigneten Arznei versehen.
    Nun las der Kaplan den Brief des Kaisers vor und beide Zuhörer erschraken. Der Castellano, weil damit seine Burg an Bedeutung verlieren und ins Dunkel der Vergessenheit sinken würde. Der Capitano, weil er fürchtete, mit seinen Männern wieder zu den Kampftruppen versetzt zu werden, denn in Cosenza gab es gewiss eine geeignete Wachmannschaft. So hatte ihn der kaiserliche Befehl nicht gerade erfreut und als er den Gefangenen im Burghof ansprach, tat er dies in gereizter Stimmung. Die knappe Anrede freilich hatte der Kaiser befohlen, sie durfte über das „Don“ nicht hinausgehen.
    „Don Enrico!“
    Heinrich blieb stehen und wandte sich um. Der etwas über Dreißigjährige sah zehn Jahre älter aus, sein faltiges Gesicht wirkte müde und verfallen, die grau gesprenkelten Haare hingen verfilzt und ungepflegt bis auf die gebeugten Schultern.
    „Ja?“
    Der Capitano blieb stehen und stieß hervor:
    „Ihr werdet verlegt! Befehl Eures … äh, Befehl vom Kaiser.“
    Die glanzlosen Augen blickten erschrocken.
    „Schon wieder?“
    „Ich führe nur Befehle aus.“
    „Ja, ja, ist schon gut. Und wohin geht es diesmal?“
    Nun soll der Kerl auch sein Fett abbekommen, dachte der Capitano hasserfüllt.
    „Ich bin nicht befugt, Euch das zu sagen, doch fürchte ich, besser wird’s nicht werden.“
    |375| Heinrich hatte sich niemals mit seiner Lage abgefunden, doch die bodenlose Verzweiflung, die ihn nach Rocca San Felice, seinem ersten Gefängnis, begleitet hatte, war einer stillen Duldung gewichen, in der dann und wann ein winziges Licht der Hoffnung aufleuchtete. Sein Vater würde nicht ewig leben und sein Halbbruder Konrad, jetzt deutscher König, wäre vielleicht geneigter, die Haft in eine Art Hausarrest umzuwandeln. Und nun das! Wie oft hatte er während der zwei Jahre auf Nicastro dieser halben Ruine einen Zusammensturz oder den Untergang in einem Flammenmeer gewünscht. Dies alles waren Wunschträume geblieben und nun sollte es weitergehen in eine andere und keineswegs bessere Kerkerhölle.
     
    Zwei Tage später brachen sie auf. Pferde waren in diesen wüsten Bergregionen nicht zu gebrauchen und so trabten sie auf Maultieren langsam dahin, nicht selten zum Absteigen gezwungen, damit die

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