Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
erstaunt.
„Nicht am Kreuz gestorben? Aber damit wäre ja die christliche Heilserwartung sinnlos. Gerade sein Kreuzestod stellt ihn als den Erlöser dar.“
„Erhabener Sultan, diese Irrtümer galt es auszuräumen und so hat Allah den Engel Gabriel zu Mohammed gesandt, um die wahre Lehre zu verkünden – Gottes Wort! Genau besehen stammt der Koran nicht aus Menschenhand, sondern aus dem Geist Allahs. Menschen waren es, die ihn dann niedergeschrieben haben.“
Friedrich deutete auf den Koran, den der Mullah in der rechten Hand hielt.
„Kannst du mir die Stelle vorlesen, wo vom Kreuzestod die Rede ist?“
Eifrig begann der Mullah zu blättern.
„Nichts tue ich lieber, erhabener Sultan. Hier in der vierten Sure, im Vers 156 heißt es: ‚Und weil sie sprachen: Siehe, wir haben den Messias Jesus, den Sohn der Maria, der Gesandten Allahs, ermordet – doch sie ermordeten und kreuzigten ihn nicht, sondern einen ihm Ähnlichen –, darum verfluchen wir sie! Und siehe, diejenigen, die über ihn uneins sind …‘“
„Gut, gut, das Wesentliche ist schon gesagt. Noch einmal, zur Verdeutlichung: Was die anderen Propheten betrifft, so haben sich Irrtümer eingeschlichen, die von Mohammed richtiggestellt wurden.“
„Ja, Erhabener, so ist es.“
„Und zu diesen Irrtümern gehört auch Jesu Kreuzigung?“
„Auch das ist so.“
„So erfahren wir erst durch Mohammed, dass stattdessen ein anderer gekreuzigt wurde?“
Der Blick des Mullahs war wachsamer geworden, seine Miene drückte Misstrauen aus.
„Der Engel Gabriel hat es dem Propheten übermittelt, also kann es nicht anders sein.“
Friedrich schüttelte leicht den Kopf.
|386| „Da erscheint es mir schon seltsam, dass etwa dreihundert Jahre vor Mohammed, heute als Irrlehrer angesehene Gnostiker, genau dasselbe behaupteten. Wenn du willst, kann ich dir Abschriften zukommen lassen.“
Das Gesicht des Mullahs verschloss sich, wurde undurchdringlich.
„Warum sollen nicht begnadete Menschen schon vor Mohammed eine Ahnung davon gehabt haben?“
Friedrich grinste spöttisch.
„Könnte es nicht sein, dass Mohammed auf seinen zahlreichen Reisen mit Menschen verschiedener Glaubensrichtung in Berührung kam und sich davon anregen ließ? Es muss ja nicht alles von Gabriel gekommen sein …“
Der Mullah erhob sich.
„Ich habe dir noch nicht erlaubt zu gehen.“
Der Mullah blickte gehetzt um sich, aber da war niemand und so setzte er sich wieder. Friedrich sprach weiter.
„Weißt du, warum mir der Islam trotzdem so zusagt?“
„Nein, erhabener Sultan.“
„Weil der Koran nicht nur eure heilige Schrift ist, sondern zugleich ein für alle verbindliches Gesetzbuch. Das ließe sich auch vom Alten Testament sagen, doch das ist nur für Juden maßgebend. Das Evangelium hingegen vermittelt zwar Christi Lehre, doch ein Gesetzbuch ist es nicht – leider.“
Der Mullah nickte nur und saß mit gekreuzten Beinen auf seinem Polster, doch sein Körper war so gespannt, als warte er nur auf die Erlaubnis, aufspringen zu dürfen.
Friedrich bemerkte es wohl, aber etwas trieb ihn dazu, diesen selbstbewussten Prediger ein wenig zurechtzustutzen.
„Was nun Mohammed betrifft, so gibt es in meinen Augen drei Möglichkeiten für eine Erklärung. Man kann ihn als politischen Abenteurer sehen, dem jedes Mittel recht war, Macht an sich zu reißen. Er könnte aber auch religiöse Motive mit politischen Absichten verknüpft haben. Das damalige Oströmische Reich umfasste weite Teile des Abendlandes, ganz Kleinasien, Syrien, Palästina und die nordafrikanischen Küstenregionen von Ägypten bis Numidien, vereint unter dem christlichen Glauben. In seiner Heimat aber wechselten die Götter von Stadt zu Stadt und die Kleinkriege nahmen kein Ende. Sein Ehrgeiz war es nun, diese religiös |387| wie politisch zersplitterte arabische Welt zu einen, und dazu gehörte ein gemeinsamer Glaube. Doch eine Religion lässt sich nicht so ohne weiteres aus dem Boden stampfen und so ernannte er klug Moses und Jesus zu seinen Vorläufern, deren aus seiner Sicht im Laufe der Jahrhunderte löchrig gewordenes Lehrgebäude er für alle Zeiten neu zusammenfügte, ohne dabei auf alte Bauteile zu verzichten.“
Friedrich schwieg und schaute nachdenklich den Mullah an. Der räusperte sich und sagte:
„Durchaus beachtenswert, doch Ihr spracht von einer dritten Möglichkeit.“
Friedrich lächelte nachsichtig.
„Soll ich sie noch erwähnen? Du kennst und vermittelst sie doch.“
„Ja, und sie
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