Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
aber wen kümmerten an einem so großen Tag solche kleinen Unfälle?
An der Porta Collina wartete die römische Geistlichkeit auf das Kaiserpaar. Inzwischen war es schon Mittag geworden, aber der Zug durch die Via Triumphalis war immer wieder aufgehalten worden und hatte Stunden gedauert. Der Praefectus von Rom – eine Art
podestà –
setzte sich mit erhobenem Schwert an die Spitze des Zuges, ihm folgten die Kardinäle und Bischöfe, danach das Kaiserpaar mit seinem Gefolge, während der römische Stadtadel den Abschluss bildete. Des beschränkten Platzes wegen mussten die Abgeordneten der ghibellinischen Städte den Kaiser ohne ihre Bewaffneten begleiten. Allen ausländischen Waffenträgern war das Betreten der Stadt ohnehin untersagt. Jörg hatte das verärgert, denn er wusste, dass er zeitlebens nie mehr nach Rom kommen würde, nun aber war er da und durfte die Stadt nicht besuchen! Das hatte er in respektvollen Worten seinem Herrn zu verstehen gegeben und Galvano, der ihm gegenüber, dem Ehemann der schwesterlichen Amme, doch so etwas wie ein Verwandtenverhältnis empfand, sah es ohne weiteres ein.
„Wenn dies alles vorbei ist, zieht der Kaiser nach Süden weiter und wir machen uns auf den Heimweg. Zuvor aber legen wir unsere Waffen ab und treten als Rompilger auf, um die heiligen Stätten zu besuchen. Da wird es keinerlei Schwierigkeiten geben.“
Jörg bedankte sich geziemend und sah seinem Herrn nach, der den Monte Mario hinunterritt.
Jetzt aber steckte Galvano im kaiserlichen Gefolge und kam sich trotz des furchtbaren Gedränges einsam und verlassen vor. Von |43| den anderen städtischen Abordnungen war ihm niemand bekannt, auch gab es wenig Gelegenheit, in diesem Trubel jemand kennenzulernen.
Die Peterskirche, Grabstätte des ersten Papstes und nach Jerusalem heiligster Ort der Christenheit, enttäuschte Galvano zutiefst. Er hatte sich etwas Gewaltiges, Mächtiges, alles Menschenmaß Übersteigendes vorgestellt und fand ein paar Torbögen, einen Kreuzgang mit einem an der Ostseite angefügten schmalen, achtstöckigen Campanile, der eher zu einer Kleinstadtkirche gepasst hätte. Da musste er gleich an den gut dreimal so breiten Glockenturm in Pisa denken. Zwar hatte man schon vor Jahrzehnten den Bau nach dem dritten Stockwerk eingestellt, weil der Turm sich wegen des sumpfigen Untergrunds zu neigen begann, aber es war geplant, noch drei weitere Stockwerke anzufügen.
Es herrschte ein unglaubliches Gedränge, weil der Stadtadel glaubte, in Rom bei allen wichtigen Ereignissen ganz vorne stehen zu müssen. Galvano ärgerte sich, weil diensteifrige
sbirri
ihn und die anderen Stadtvertreter immer weiter abdrängten. Fast wären sie im Säulenhof geblieben, aber irgendwie war ein Befehl des Kaisers durchgedrungen, er wolle die Vertreter der lombardischen Städte als Zeugen seiner Krönung um sich haben. Ganz kurz nur sah Galvano den Papst, eine graubärtige, gebeugte Gestalt, sorgsam von zwei Kardinälen gestützt. Das genaue Alter des Heiligen Vaters wusste niemand, doch wurde gemunkelt, er sei bei seiner Wahl schon weit über achtzig gewesen. Die Kaiserkrönung zog sich in mehreren Stufen lange hin und Galvano, eingezwängt wie ein Pökelhering, sah nur Teile davon. Als der Papst und das Kaiserpaar eine Seitenkapelle betraten, verlor er sie aus den Augen, doch dann schritten sie zum Hochaltar, um am Grab Petri niederzuknien. Da sanken auch alle anderen in die Knie und Galvano, der es einen Augenblick später tat, sah staunend den prachtvollen Krönungsmantel – er stammte von Friedrichs Großvater Roger –, an dem so gar nichts Christliches war. Die Goldstickerei zeigte eine Dattelpalme, je zur Seite ein Kamel, die sich unter den Pranken zweier Tiger duckten. Die Umschrift am Saum war in arabischen Lettern. Bis das Kaiserpaar endlich am Altar gekrönt wurde und das festliche Hochamt begann, waren viele Stunden vergangen. Am Ende wurde das kaiserliche Gefolge beurlaubt, bis weitere Befehle eintrafen.
|44| Am nächsten Tag war Galvano mit seinen Männern aus den kaiserlichen Diensten entlassen worden und sie hatten sich auf den Heimweg gemacht. So wenigstens hatte er es seiner Familie dargestellt, doch das stimmte nicht ganz, denn da gab es Dinge, die weder für Biancas Ohren noch für die seines jüngeren Bruders Giordano geeignet waren. Er musste sich eingestehen, dass er es dem Großvater, auch unter vier Augen, genauso verschwiegen hätte. Dabei hatte er nichts Unrechtes getan …
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Eigentlich war
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