Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
eigener Erfahrung hatte Berta ihr den Vorgang als nicht sehr erfreulich – was die Frauen betraf – geschildert, aber doch als notwendig zur Erhaltung der Menschheit.
Von Berta hatte Bianca im Laufe der Jahre so manches über das Zauberwesen erfahren und wusste einiges über die heilenden oder auch Schaden bringenden Kräfte von Tieren, Pflanzen, Steinen und Metallen. Sie trug ein von Berta gefertigtes Amulett am Hals, wusste aber nicht, was die Kapsel enthielt, und wurde belehrt, dass die Wirksamkeit umso höher sei, je weniger man darüber wisse. Nur so viel könne man sagen: Das Amulett sei aus Bernstein gefertigt, der allein schon als mächtige Schadenabwehr gelte und zudem gegen jede Art von Halserkrankungen schütze. Für sehr wichtig hielt Berta, dass man die Eigenschaften der Wochentage kenne und sich danach verhalte.
|70| „Der Montag“, so verkündete sie, „ist ein Unglückstag! Da soll man nichts Wichtiges beginnen, kein Geld einfordern, keine Reise antreten, nicht an Begräbnissen teilnehmen. Wer sich daran hält, dem geht es nicht nur am Montag gut, sondern während der ganzen übrigen Woche. Der Dienstag bringt auch nichts Gutes, ist dem Kriegsgott geweiht – ein Männertag. Das gilt auch für den Mittwoch, denn an diesem Tag hat Judas seinen Verrat begangen. Da soll man ebenfalls nichts Wichtiges unternehmen, vor allem kein Vieh austreiben oder verkaufen, auch nicht Hochzeit halten. Dazu ist der Donnerstag weit besser geeignet. Der Freitag ist zur Erinnerung an Christi Tod ein Tag der Besinnung, soll aber auch frei von Krankheiten machen. Der Samstag muss als Glückstag gelten, ist gut für Hochzeiten und große Unternehmungen, ist freilich auch der große Hexentag, an dem sie ihren Sabbat feiern. Ein Glückstag ist natürlich auch der Sonntag als Tag des Herrn. Glückskinder werden am Sonntag geboren und die armen Seelen sind frei vom Fegefeuer.“
Berta schwieg eine Weile und Bianca fragte:
„Daran glaubst du fest?“
Berta blickte unwillig auf.
„Was heißt schon fest? Alles liegt in Gottes Hand und wenn er es will, kann er auch die Unglückstage günstig gestalten.“
Das war ihre unerschütterliche Lebenseinstellung: alles, was die Weiße Magie – die keinem schadete – gebot und anriet, genau zu beachten, dabei aber beide Augen zum Himmel zu richten und auf Gott zu vertrauen.
Als Bianca gegangen war, seufzte Berta schwer. Was half das ganze Gottvertrauen, was nützte die Kenntnis der Weißen Magie, wenn ihr Augenstern nicht endlich zur Frau wurde? Ihres Wissens gab es kein Mittel – ob menschlicher, tierischer, pflanzlicher oder mineralischer Natur –, um diesen Vorgang zu beschleunigen. Freilich, einen wirksamen Liebeszauber hätte sie schon schaffen können, und da fiel ihr wieder das eigene Erlebnis ein, wo er jämmerlich versagt hatte. Sie lebte noch bei den Eltern am Rand von Innsbruck und hatte sich in einen Vetter verliebt, den sie bei Familienfesten öfter sah. Da der Vater als Innfischer sein Brot verdiente, fiel es ihr leicht, einen bestimmten Liebeszauber anzuzwenden. Sie stibitzte einen kleinen Fisch, der noch zuckte, ging auf den Abtritt und steckte das Tier in ihre Scheide, bis es sich nicht mehr regte. |71| Sie tat das am Tag vor einer Tauffeier, da die ganze Sippe bei einem Festmahl versammelt war, und es gelang ihr, eben diesen Fisch mitzubraten und dem Vetter auf den Teller zu legen. Er verputzte ihn samt den Gräten, doch die Wirkung blieb aus. Freilich hatte die alte Kräuterhexe betont, dass nicht jeder Liebeszauber bei jedem wirke. Da müsse sie dann einen anderen versuchen. Berta schmunzelte in sich hinein. Wenn es bei Bianca so weit war – vom Fischzauber würde sie ihr abraten.
Bianca, in manchen Dingen ihre gelehrige Schülerin, kam schon früh zu einer anderen Anschauung. Obwohl sie es für gut hielt, die Regeln der Weißen Magie zu kennen, gründete sich ihre Lebenseinstellung – vom Großvater beeinflusst – auf das nach und nach erworbene Wissen über alles, was den Menschen betraf. Don Bartolomeo hatte ihr gesagt:
„Wer das Wesen der Menschen und sich selber kennt, ist für die Wege des Schicksals bestens gerüstet. Freilich gibt Seneca zu bedenken:
Eunt via sua fata
, und das sollst du niemals vergessen: Das Schicksal geht eigene Wege.“
So gesehen, war Bianca sicher die gelehrigste Schülerin ihres Großvaters gewesen, während ihre Brüder sich anders entwickelten. Galvano war der Art seines Vaters nachgeraten und handelte niemals
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