Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Honorius hatte das achtzigste Lebensjahr schon überschritten und wollte seinen Herzenswunsch endlich verwirklicht sehen. So tat der Kaiser das Nächstliegende und begann im deutschen Reich für den Kreuzzug zu werben. Hermann von Salza reiste mit einem Sack voll Gold dorthin, aber es war schwer, die deutschen Fürsten für dieses doch so gottgefällige Werk zu gewinnen. Wer zusagte, ließ sich kaufen und das sizilianische Gold schmolz dahin wie Schnee in der Frühjahrssonne.
|68| Auch Friedrich war nach Norden gereist, wo er für Ostern 1226 in Cremona einen Reichstag einberief. Sein Sohn König Heinrich sollte mit den deutschen Fürsten dort erscheinen, dazu die Abgeordneten der lombardischen Städte. Als Grund für den Reichstag nannte der Kaiser die Wiederherstellung der Reichsrechte in Italien, vor allem aber die Klärung der lombardischen Verhältnisse. Um den Papst milde zu stimmen und die Unterstützung der Kurie zu gewinnen, wurden zwei weitere Themen genannt: Bekämpfung der Ketzerei und Vorbereitung zum Kreuzzug.
Als Friedrich von Süden und sein Sohn Heinrich von Norden heranzogen, führten sie Truppen mit sich, was das Misstrauen der guelfischen Kommunen verstärkte. So bildeten zwölf lombardische und venetische Städte unter mailändischer Führung eine Liga, denn sie fürchteten, die vom Kaiser in Sizilien angewandten Gewaltmaßnahmen. Ihre erste Handlung war, die Gebirgspässe zu sperren, sodass König Heinrich mit seinen Truppen nicht weiterziehen konnte. In Friedrichs Augen war das Hochverrat, doch er war machtlos und das geplante Strafgericht musste verschoben werden. Die kaisertreuen Städte hatten ihre Vertreter nach Cremona geschickt und für sie veranstaltete Friedrich ein Abschiedsbankett.
Galvano, seit zwei Jahren Oberhaupt der Familie Lancia, kam als Führer einer Abordnung aus Pisa und hatte seine zwölfjährige Schwester Bianca mitgebracht. Für die Familie war sie die „Zwölfjährige“, sie selber nannte sich „fast dreizehn“, doch bis dahin war es noch ein halbes Jahr.
Bei der Familie Lancia hatte sich während der letzten Jahre einiges verändert. Don Bartolomeo, der Großvater, war plötzlich gestorben. Er hatte sich eines Morgens an sein Schreibpult gesetzt, um etwas zu notieren, als ihn ein Schlagfluss überraschte und seinen Kopf auf das Pult sinken ließ. In der rechten Hand hielt er noch die Schreibfeder, die er gerade zugespitzt hatte und in das offene Tintenfass tauchen wollte. Er starb wohl in Frieden, denn er hatte noch erleben dürfen, dass Giulia – Galvanos Gemahlin – den Sohn Federico zur Welt brachte. Giordano, jetzt siebzehn, war der hitzige Raufbold geblieben, der er schon als Kind gewesen war, doch es gab kaum noch Schwierigkeiten, da er sich bei den Zusammenkünften der Bürgerwehr, bei Wett- und Schaukämpfen austoben konnte. Er war schnell beleidigt, aber ebenso schnell zur Versöhnung bereit, was ihm viele Freunde einbrachte.
|69| Bianca hatte sich mit den Jahren zu einer Schönheit entwickelt, die nicht ins Auge sprang, sondern erst beim zweiten Blick erkennbar wurde. Nach wie vor steckte sie mit Berta unter einer Decke und noch immer sprachen sie Deutsch miteinander. Der heimliche Kummer ihrer früheren Amme aber war, dass Biancas Regel ausblieb. Nach außen wirkte sie mit ihrem schönen, ernsten Gesicht, den kleinen, runden Brüsten und den lieblich geschwungenen Hüften wie eine junge Frau, aber dazu passte nicht – wie Berta meinte –, dass Bianca zwischen den Schenkeln trocken blieb wie eine verdorrte Frucht. Um sie nicht zu verstören, sprach Berta nur auf Umwegen über dieses Thema, etwa wenn sie von dem Volksglauben erzählte, dass das Regelblut der Frauen vor Fieber und Fallsucht schütze, ja sogar imstande sei, Blitz, Hagel und Sturm abzuwehren. Sie tat das in der Hoffnung, Bianca möge nachfragen, was Regelblut sei und so war es dann auch.
„Wenn ein Mädchen zur Frau wird, dann geschieht allmonatlich etwas, vor dem du keine Angst zu haben brauchst. Aus deinem Gröttchen sickert ein wenig Blut, das hört dann nach drei oder vier Tagen auf …“
Bianca hörte mit gerunzelter Stirne zu und fragte:
„Zu was soll das gut sein?“
„Ja, das weiß ich auch nicht. Jedenfalls können Frauen von da an Kinder kriegen. Wie es dazu kommt, habe ich dir ja schon erklärt.“
Das hatte sie tatsächlich, doch Bianca war nicht sehr interessiert gewesen. Was Männer mit Frauen trieben, gehörte für sie in eine andere, noch sehr ferne Zeit. Aus
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