Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Hingabe und Begeisterung. Beides geschah nicht ohne gewichtige Gründe. Der erste wurde schon genannt, es war der Beschützerinstinkt der Amme und liebevollen Ziehmutter, die sich ohne ihr Kind verwaist vorgekommen wäre. Als aber |80| Bianca darauf bestand, Berta auf die Reise mitzunehmen, war sie Feuer und Flamme. Dass auch ihr Ehemann Jörg seinen Herrn begleitete, störte sie nicht weiter.
Galvano hatte seiner Schwester diesen Wunsch gerne erfüllt, denn die zarte, noch kindliche Bianca unter all diesen Männern – nein, das wäre ihm nicht recht gewesen. Als Bianca ihrer Ziehmuter erzählte, wie schwierig es gewesen war, Galvano und dann Giordano von der Notwendigkeit dieser Reise zu überzeugen, zeigte Berta sich empört.
„Ja, so sind sie, die Männer, messen je nach Bedarf mit zweierlei Maß. Dir wollen sie es verbieten, sie auf einer harmlosen Reise zu begleiten, die nicht mal eine Woche dauert. Aber auf Kriegszügen, wenn große Heere wochenlang in den Kampf ziehen, da sind Weiber haufenweise dabei, das kann ich dir flüstern!“
Bianca staunte.
„Bist du da sicher?“
„Jeder weiß doch, dass im Tross der Armee hunderte von Marketenderinnen und Huren, aber auch Ehefrauen oder Soldatenliebchen mitziehen.“
„Auf mich trifft aber nichts von alledem zu.“
„Umso schlimmer, dass man es einem Mädchen verwehren wollte, sein Gelübde zu erfüllen.“
Berta wusste davon, doch nichts Genaueres – das ging sie nichts an. Ihr Ehemann aber war alles andere als begeistert. Giorgio, der bärtige Capitano, hatte sich schon auf lustige Tage in Cremona gefreut, in der richtigen Annahme, dass der Kaiser und sein Gefolge auch Scharen leichter Mädchen herbeilocken würden, die man hier
bagasce
oder
baldracche
nannte und im Deutschen als „Hübschlerinnen“ bezeichnete. Sein Verhältnis in Pisa – die Witwe mit den drei Kindern – war inzwischen so eheähnlich geworden, dass er dort die vorzügliche Küche bald höher schätzte als die Freuden des Bettes, die schon ein wenig schal geworden waren. Als Berta kurz vor der Abreise noch mit spöttischem Grinsen bemerkte, das träfe sich sehr gut, denn Jörg könne unter ihrer Aufsicht keinen Unsinn anstellen, da löste sich, als er allein war, ein ellenlanger lästerlicher Fluch aus seinem bärtigen Mund.
Während der Reise ergab es sich dann, dass die beiden Frauen langsamer waren als die Männer auf ihren schnellen und ausdauernden |81| Rössern. Bianca ritt auf ihrer Stute Brunella und Berta auf einem kräftigen Maultier, doch immer wieder blieben sie zurück, sodass Galvano sie mit einer kleinen Begleittruppe versah, mit der sie dann um Stunden später beim jeweiligen Nachtquartier eintrafen.
Zuerst ritten sie durch das Hügelland der Ausläufer des Apennin, dann aber gelangten sie in die flache Po-Ebene und blieben noch weiter hinter den schnellen Pferden der Männer zurück.
Bianca störte das nicht.
„Wie auch immer, wir werden sie einholen und was macht es schon, wenn wir einen Tag später in Cremona eintreffen? Sie werden uns nicht los, liebe Berta, mögen sie auch ihren Entschluss verfluchen, sich mit uns eine solche Last ans Bein gebunden zu haben.“
Sie näherten sich dem feindlichen Piacenza bis auf etwa zehn Meilen, aber nicht ein einziger Bewaffneter ließ sich blicken. Der Respekt vor den kaiserlichen Truppen war wohl zu groß.
6
Cremona brodelte wie ein Topf, der überzuquellen drohte. Da nützte es wenig, dass die Truppen des Kaisers im Süden vor der Stadt lagerten, auf einer weiten Fläche, die sich bis an die Ufer des Po erstreckte. Friedrich wohnte im Palazzo del Comune, dessen sämtliche Räume von seinem engeren Gefolge belegt waren.
Zog der Kaiser durchs Land, so verbreitete sich diese Nachricht in Windeseile und alles fahrende Volk war schon vor ihm da – die Feuerschlucker, Seiltänzer, Possenreißer und wer sonst noch mit allerlei Gaukeleien dem Volk das Geld aus der Tasche zieht – und brachte die Stadtväter schier zur Verzweiflung. Da half es wenig, dass man vor den Mauern der Stadt zusätzliche, mehrschläfrige Galgen aufbaute, da auf einen Gehängten zehn lebende Börsenschneider kamen, die es geschickter anstellten. Die Huren hatten sich in einem eigenen Zeltlager zu einer Zweckgemeinschaft verbunden, weil die Stadtväter ihre Gegenwart innerhalb der Mauern nicht duldeten. Nun, das Geschäft florierte auch so, denn die kaiserlichen Truppen nutzten die Anwesenheit von so viel Weiblichkeit recht wacker aus und
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