Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
schmaler goldener Reif hielt es über der Stirn zusammen. Schmuck legte sie keinen an, von zwei kleinen smaragdenen Ohrringen abgesehen.
Berta klatschte in die Hände.
„Du bist eine Augenweide, mein Täubchen.“
Dieses deutsche Wort hatte Bianca noch niemals gehört.
„Augenweide – was bedeutet das?“
Berta versuchte es auf Italienisch zu umschreiben.
„Vielleicht
gioia dell occhi
?“
„Wenn, dann
degli occhi
oder besser noch
delizia degli occhi
.“
„Ja, das wird es treffen. Darf ich mitkommen?“
„Natürlich nicht, du wartest hier.“
Galvano erschien überpünktlich bereits zur vierten Tagesstunde.
„Draußen wartet die Sänfte – ich möchte nicht, dass dich wer sieht.“
„Warum?“
Er zuckte verlegen mit den Achseln.
„Na ja, wenn der Kaiser eine Frau empfängt …“
„Sonst sagst du immer, ich sei noch ein Kind.“
„Jolanda war kaum älter, als der Kaiser sie heiratete.“
„Ja, aber man sagt, er habe mit – mit dem Vollzug der Ehe noch gewartet.“
Die Sänftenträger hatten es wohl eilig, denn sie liefen im Trab und Bianca konnte durch das schmale Fenster kaum etwas erkennen. Sie sausten am Dom vorbei, der nach seiner Zerstörung durch ein Erdbeben erst zur Hälfte wieder aufgebaut war. Gleich gegenüber erhob sich der Palazzo del Comune und die Sänfte wurde unsanft abgesetzt. Sogleich eilte Galvano mit zweien seiner Männer herbei, um gleichsam eine Deckung zu bilden, doch der Platz vor dem Stadthaus war so von Menschen überfüllt und durchbrandet, dass niemand auch nur den Kopf nach ihnen wandte.
Die Wachen an der Tür kreuzten ihre Hellebarden und fragten nach dem Namen. Den riefen sie ins Innere des Hauses, bis von dort das „
passare
!“ ertönte. Den Weg zum Obergeschoss sperrten wieder zwei Wachen, daneben stand an einem Pult der Secretarius. Er blätterte und nickte:
|87| „Stimmt, Graf Lancia und seine Schwester Bianca.“
Der Kaiser liebte Pünktlichkeit über alles und empfand Verspätungen als persönliche Beleidigung. Wer etwas früher kam, wurde mit Wohlwollen betrachtet.
Schon in der Sänfte hatte Bianca ein seltsames Erstarren ergriffen, das sich im ganzen Körper von oben nach unten ausbreitete. Zuerst lähmte es den Kopf, die Denkfähigkeit, dann Schultern, Brust, Bauch, Schenkel und zuletzt die Füße. Später verglich sie es mit der häufig beobachteten Tragestarre bei den Kätzchen. Sobald die Katze ein Junges am Nacken fasste, war das Tierchen wie gelähmt, hing wie tot in den Zähnen der Mutter.
Was aber hatte sie am Nacken gepackt und in eine Art Todesstarre versetzt? War es die außerordentliche Situation an diesem Tag? Im Stadthaus wartete Lancelot, wartete der Kaiser auf sie, auf Bianca Lancia. Ihr Denken setzte später wieder ein, doch als sie jetzt aus der Sänfte stieg und mit Galvano die Treppe hinaufging, war ihr Körper starr und kalt geblieben und später wunderte sie sich, dass sie überhaupt zu einer Bewegung fähig gewesen war.
An der Tür zur
anticamera
standen wieder zwei Wachen, baumlange Kerle, mit unbewegten Gesichtern. Sie traten ein und wenig später kam der Kaiser aus dem Besprechungsraum.
Galvano verneigte sich tief und Bianca versank im Hofknicks.
„Graf Galvano, Donzella Bianca, genug der Höflichkeit!“
Beide richteten sich auf und der Kaiser wandte sich Bianca zu. Seine strahlenden Augen hielten die ihren fest und sie fühlte, wie sein feuriger Blick in sie eindrang und die eisige Erstarrung sich löste, so wie sie entstanden war. Zuerst setzte die Denkfähigkeit wieder ein, ihre Brust hob und senkte sich, wie von einer Last befreit, eine wohlige Wärme durchströmte den Bauch, vermischt mit einem schmerzlichen Ziehen, und dann war es, als platze etwas in ihr. Sie spürte eine warme Feuchtigkeit zwischen den Schenkeln und ihre Knie gaben nach. Sie flüsterte:
„Bitte einen Stuhl …“
Der Kaiser reagierte schnell, stellte einen Hocker hin und schob sie sanft darauf.
Galvano blickte verwirrt drein, er wusste nichts, ahnte nichts, wunderte sich nur über den Schwächeanfall der sonst gar nicht zimperlichen Bianca.
Der Kaiser beugte sich herab.
|88| „Soll ich meinen Medicus …?“
„Nein, nein, Majestät, es geht schon wieder.“
Sie ahnte, was geschehen war, dachte flüchtig: Da wird Berta sich freuen, und dann kam ein Diener mit einem Becher Würzwein.
Der Kaiser lächelte.
„Etwas zu Eurer Stärkung …“
Sie nahm zwei kleine Schlucke und erhob sich.
„Majestät, ich
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