Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
nur einen kleinen – sehr geheimen – Teil seiner Hofhaltung, von dem er in Italien aber selten Gebrauch machte, auch wenn dieser Harem sich auf wunderbare Weise nach und nach vergrößerte. Da gab es beschnittene Aufseher, Dienerinnen und mit der Zeit kamen Kinder dazu. Als einer von Friedrichs vertrauten Jagdgenossen behutsam anfragte, wie der Kaiser es mit seinem Harem halte, sagte er schmunzelnd:
„Jeder Mensch hat eine Lieblingsspeise, die er allen anderen vorzieht, aber nicht täglich zu sich nimmt. Anderes wird des Hungers wegen vertilgt und vergessen. Die Lieblingsspeise aber trägt man im Herzen und im Kopf, man vergisst sie nicht und das Herz klopft, wenn sie auf den Tisch kommt.“
Ein schöneres Kompliment hätte er Bianca nicht machen können.
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Über zwei Jahre hatte es gedauert, bis Bianca Lancia ihren kaiserlichen Liebhaber wiedersah. Costanza war schon über ein Jahr alt, als Friedrich das ernst blickende Kind hochhob und behutsam auf beide Wangen küsste.
„Ich bin dein Vater“, sagte er, „dein Papa …“
Plötzlich lächelte sie ihn an und sage: „La-la-la.“
„Spricht sie denn noch nicht?“
Bianca schüttelte den Kopf.
„Es gibt auf der ganzen Welt kein Kind, das in diesem Alter spricht. Da musst du schon noch etwas warten.“
Friedrich dachte nach, ging zum Fenster, kehrte wieder um.
„Man müsste herausfinden, ob das Kind die Sprache von seiner Umwelt nach und nach aufnimmt oder ob in ihm eine – eine Art Ursprache verborgen ist. Sie müsste zutage kommen, wenn man das Kind von Stummen aufziehen lässt. So hört es niemals ein einziges Wort, vielleicht kommt dann, wenn es sie gibt, diese Ursprache zutage.“
„Was du dir alles ausdenkst! Wirst du jetzt für immer in Melfi bleiben?“
„Nicht für immer, aber ihr sollt immer dabei sein, du und Costanza. Du wirst ja festgestellt haben, dass es hier im Winter recht ungemütlich werden kann.“
„Oh ja, wir haben halbe Wälder verheizt, um nicht zu erfrieren.“
„Siehst du! Darum werden wir es künftig so halten, dass wir im Spätherbst nach Foggia ziehen und im Frühling, Mai oder Juni, wieder hierhergehen.“
„Darf ich daraus schließen, dass wir demnächst aufbrechen werden? Es ist ja schon Mitte Oktober.“
„In einem Monat etwa, vielleicht auch erst im Frühjahr, denn das Kastell wird beträchtlich erweitert – für dich.“
„Für mich, aber das ist doch …“
„… unbedingt notwendig. Es war bisher nichts weiter als eine kriegerische Festung und Mastro Bartolomeo, der weithin gerühmte Baumeister, wird jetzt einen kaiserlichen Palast daraus machen.“
Sie lächelte.
„Dann wird also jetzt ein Harem angebaut?
Friedrich winkte gelassen ab.
|156| „Ich kenne das Gerede … Ich habe tatsächlich einige – Damen aus Palästina mitgebracht, Geschenke des Sultans, Tänzerinnen meist. Mich betrifft das nicht. Wenn ich in die Zukunft schaue, sehe ich nur dich an meiner Seite.“
„Warten wir es ab …“
Aus dem Umzug wurde dann tatsächlich nichts, aber es war ein milder Winter und Friedrich steckte voller Tatendrang. Wie es seine Art war, arbeitete er gleichzeitig an verschiedenen Projekten, an denen er oft persönlich teilnahm oder sie durch Vertrauensleute überwachen ließ. Mit Bianca sprach er am liebsten über Untersuchungen, die ihm besonders am Herzen lagen, doch über allem stand die Maxime:
Intentio vero nostra est manifestare ea quae sunt sicut sunt
. So lautete dieser Grundsatz in lateinischer Sprache und Friedrich mühte sich mit Hilfe Biancas ab, ihn auch ins Deutsche zu übersetzen, und aus verschiedenen Varianten entstand der Satz: „Unsere wahre Absicht ist es, die Dinge sichtbar zu machen, so wie sie sind.“ So bildete sich der „Liber Augustalis“, die kaiserliche Gesetzessammlung. Da gab es viele einschneidende Veränderungen, vor allem, was die Rechte der Beamten betraf. Die Richter ewa durften nicht in der gleichen Provinz tätig sein, aus der sie stammten, nicht einmal eine Frau solcher Herkunft konnten sie heiraten. Dies alles sollte Rechtsbeugungen irgendwelcher Art verhindern.
Die Gesetzestexte waren von einem Geist erfüllt, der mit der früheren Auffassung nicht konform ging. Die Kirche sah den Ursprung des Herrscheramtes allein in Gott und die Aufgabe des Monarchen war es, als Vollstrecker der göttlichen Vorsehung zu wirken. So aber wollte Kaiser Friedrich es nicht verstanden wissen. Er glaubte an die
rerum necessitas
, den Zwang der Dinge. Da hatte
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