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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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der sich schon bei der Verlobungsfeier im Vorgefühl der zu erwartenden Genüsse die dicken, narbenzerfressenen Lippen leckte. Schon von Kindheit an mit Mut und Selbstvertrauen gesegnet, stellte sie ihre Eltern vor die Wahl: entweder ein anderer Bräutigam oder das Kloster. Das wurde freilich nur für eine leere Drohung gehalten und so stahl sich Messalina nachts aus dem Haus und ließ sich durch einen bestochenen Gondoliere zu dem abgelegenen Frauenkloster Sant`Elena bringen. Vor die Äbtissin geführt, fabelte sie ihr vor, Jesus selbst habe sie zu seiner geistlichen Braut bestimmt, was ihre Eltern nicht guthießen, aber es würde ihr das Herz brechen, statt des himmlischen einen irdischen Bräutigam zu nehmen. Die Äbtissin, eine reife, im Umgang mit Menschen erfahrene Frau, misstraute dem Ruf des himmlischen Bräutigams und hielt einen irdischen für geeigneter. Selber aus einer Patrizierfamilie stammend, brachte sie schnell heraus, wo eine Tochter ausgeflogen war, und einige Tage später kamen zur Dämmerstunde Dienstleute ihrer Familie mit einem Boot.
    Das Kloster lag auf einer Insel im äußersten Osten der Stadt und als das überraschte Mädchen unsanft in die
barca
gezerrt wurde, lag eine Fahrt von gut einer Stunde vor ihr. Messalina, fest entschlossen, ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen, sprang an Land, noch ehe das Boot den sehr schmalen Kanal verließ, um über das Meer zum Canal Grande zu gelangen. Damit hatte niemand gerechnet und so waren alle vor Überraschung wie gelähmt. |191| Das Gelände war unbebaut und dicht mit verwildeter Macchia bedeckt. Messalina machte nicht den Fehler, einfach weiterzulaufen, denn das Geräusch der im vollen Grün stehenden Büsche und Bäume, die sie streifen musste, hätte die Verfolger sofort auf ihre Spur gebracht. Sie ließ sich seitlich fallen und kroch, jämmerlich zerstochen unter einen dicht belaubten Dornbusch. Ihre Verfolger verteilten sich, fanden aber kaum ein Durchkommen, gaben schließlich auf, gingen zum Boot zurück und überbrachten Messalinas Familie die Hiobsbotschaft. Bei Tagesanbruch wollten sie die Suche fortsetzen.
    Das vermutete auch Messalina und als die Wolken den Halbmond freigaben, kroch sie unter dem Busch hervor und bewegte sich so lautlos wie möglich in Richtung Westen. Nach einigen Stunden tauchten in der Ferne Lichter auf, das musste wohl das vor kurzem erbaute
ospedale
für invalide Seeleute sein. In kluger Voraussicht hatte sie sich einen kleinen Beutel um ihren Hals gehängt, gefüllt mit silbernen
grossi
, während an intimer Stelle noch zwei Golddukaten versteckt waren – mehr hatte sie in der Eile nicht auftreiben können.
    Hinter dem Hospital gab es einige Vorratsscheunen, wo sie auf einem Strohballen zwei oder drei Stunden schlief. So gut es ging, machte sie sich bei Morgengrauen zurecht und wartete, bis nach und nach einige Boote anlegten, vermutlich mit Freunden und Verwandten der hier lebenden Seeleute. Aus einer
barca
stieg eine vielköpfige Familie und als der Bootsführer Anstalten machte, wieder abzulegen, lief sie geduckt hinzu und winkte. Neugierig geworden, nahm er das Mädchen an Bord, doch ehe er sie ausforschen konnte, fragte sie nach männlicher Kleidung, wohl wissend, dass fast alle Bootsführer oder Gondolieri für den Fall, dass sie nass wurden, Ersatzkleidung mit sich führten. Der Mann nickte und sagte, das koste aber eine Kleinigkeit. Messalina blickte zum Hospital, wartete, bis sich dort einige Menschen zeigten, und holte zwei
grossi
aus ihrem Brustbeutel.
    „Drei!“, sagte der Mann kurz und seine Augen funkelten lüstern – nach mehr Geld und wohl auch nach weiblichem Umgang. Messalina bezahlte, ging zum Bootsheck und kleidete sich dort so schnell um, dass der Bootsführer den aufkeimenden Gedanken einer schnellen Notzucht wieder aufgab. Stattdessen fragte er: „Und jetzt?“
    „Zum nächsten Schiff!“
    |192| Das kannst du haben, dachte er und steuerte das zurzeit vor der Piazza ankernde türkische Handelsschiff an. Da gab es einen regen Verkehr, denn Venedig hatte den Türken vor kurzem gestattet, am Canal Grande einen Fondaco dei Turchi zu errichten.
    Schon bald tauchten die Umrisse des Dogenpalastes auf, daneben der wie drohend erhobene Zeigefinger des schlanken Campanile. Davor flatterte die rote Fahne mit weißem Halbmond und Stern. Wie meist lagen einige venezianische Staatsgaleeren mit aufgestellten Rudern dort vor Anker. Das ließ die Schiffe aussehen wie wehrhafte Igel, die mit

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