Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
sogar so weit, dass sie ihre Sommersprossen mit Kreideöl betupfte und damit unsichtbar machte. Doch Bianca schüttelte den Kopf und meinte, das solle sie nicht tun. Schönheit werde durch kleine Unregelmäßigkeiten eher betont und ein paar
lentiggini
seien durchaus geeignet, den Reiz eines Frauengesichts zu erhöhen. Anna ließ es sich gesagt sein, doch alles in allem hatte die jetzt etwa Siebzehnjährige kaum noch eine Ähnlichkeit mit dem einstigen Hirtenmädchen. Anna hatte seit jeher die Fähigkeit gehabt, sich den Verhältnissen anzupassen und die an sie gestellten Aufgaben mit Fleiß und Geschick zu erfüllen.
Wenn Giordano sich beklagt hatte, sie könne für ihn kaum noch Zeit erübrigen, so war das keine Übertreibung, doch muss gesagt sein, dass Anna es selber so wollte. Das entsprang einer ganz einfachen und nüchternen Überlegung: Sie durfte mit Sicherheit annehmen, dass Graf Giordano ihr niemals die Hand zum Ehebund reichen würde. Käme dann noch ein Kind, so verringerte sich die Möglichkeit, einen ranggleichen Mann zu heiraten, etwa einen Stallmeister, Sekretär, Capitano oder einen der vom Kaiser so hoch geschätzten Jagdgehilfen. Da sie durch ihre Herrin über die fruchtbaren |189| Tage einer Frau hinreichend aufgeklärt war, entzog sie sich an diesen Tagen dem Umgang mit Giordano, ohne Gründe zu nennen. Wenn er sie danach fragte, so zuckte sie nur mit den Achseln oder nannte irgendeinen Vorwand. Gemäß seiner jähen Natur brachte dies sein Blut in Wallung, dass er ihr einmal in maßlosem Zorn eine Maulschelle versetzen wollte. Anna duckte sich geschickt weg und schleuderte ihm entgegen:
„Ja, dazu musste es ja kommen, zu schlagenden Argumenten, weil du andere nicht zur Verfügung hast.“
Diese Formulierung kam freilich nicht von ihr, sondern sie stammte aus einem zufällig mitangehörten Streitgespräch zwischen einem Edelmann und seiner Gemahlin. Giordano war so verblüfft, dass er nur stammelnd fragen konnte:
„Wo – woher hast du das?“
„Pah!“, sagte sie nur und ging davon.
Ja, so stand es in dieser Zeit um die beiden, dazu war es Winter und es gab wenig zu tun. Giordano war mit diesem Problem, so weit es seine Männer betraf, durchaus vertraut, hatten sie doch in Syrien fünf Monate tatenlos auf die Einigung zwischen Kaiser und Sultan warten müssen. Die jetzige Situation war sehr ähnlich und er musste seine Leute mit Waffenübungen, Wettkämpfen und anderem hinhalten, bis zum Hoftag an Ostern. Wie stets in solchen Zeiten sank die Disziplin und der Stockmeister war fast täglich am Werk. Doch in Syrien war es schlimmer gewesen, denn eine Armee von Kriegern ist schwerer im Zaum zu halten, als eine kleine Leibgarde und ein gemischter Tross. Die Capitani hinderten keinen daran, seinen Sold zu den Huren zu tragen, die Ravenna seit Ankunft des Kaisers wie Heuschrecken überfallen hatten – doch nein, hierher passt ein schönerer Vergleich: Die Mädchen kamen angeflogen wie reizende Schmetterlinge, um an den Blüten – den Börsen der Männer – zu naschen oder sie schlimmstenfalls ganz auszusaugen. Poetisch begabte Herren hätten vielleicht solche Vergleiche angestellt, jedenfalls begann man diese Mädchen bald als
farfalle
zu bezeichnen.
Sie waren allein oder in Gruppen gekommen, was sowohl Vorals auch Nachteile bringen konnte. Die auf sich Gestellten mussten aufpassen, mit wem sie sich einließen, denn es gab Männer, für die eine erwürgte Hure weniger als nichts bedeutete, wenn es um einige |190| Silberstücke ging, die sie vielleicht bei sich trug. Die in Gruppen mussten sich ihren Verdienst mit einem
mezzano
teilen, der allerdings auch für Unterkunft und Sicherheit zu sorgen hatte. Doch war der Hurenwirt nicht immer ein Mann, denn auch Frauen taten bei diesem einträglichen Geschäft mit und eine solche lernte Giordano kennen. Von ihr hörte er eine unglaubliche Geschichte, die ihm unter anderem zu der Erkenntnis verhalf, dass die landläufige Meinung, eine Hurenmutter müsse selbst aus dem Metier kommen und durch Alter oder entstellende Krankheit zu dieser Profession gelangt sein, nicht immer zutrifft.
Messalina, so lautete ihr „Künstlername“, kam von ganz oben. Als Tochter einer reichen venezianischen Patrizierfamilie war sie, wie allgemein üblich, nach ihrem sechzehnten Geburtstag an eine befreundete Familie als Braut verschachert worden. Vielleicht hätte sie dies sogar hingenommen, wäre der künftige Gemahl nicht ein blatternnarbiger Tölpel gewesen,
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