BIANCA SPEZIAL Band 06
hinaus entwickeln konnte und sollte.
Als schüchterner, unerfahrener Teenager hatte er sich aus Angst vor Zurückweisung nicht getraut, ihr eine Liebesbeziehung vorzuschlagen. Und seitdem bereute er sein Zögern.
Während ihrer Ehe waren sie in Verbindung geblieben, hatten aber ihre Briefe und Telefonate in einem höflichen, platonischen Ton gehalten. Nach ihrer Scheidung war das Gerücht umgegangen, dass er der Grund für die Trennung war.
Glen kümmerte es nicht, was die Leute von ihm dachten, aber er wollte nicht zulassen, dass April in Verruf geriet. Daher ging er seit seiner Rückkehr nach Harmony Grove mit vielen Frauen aus, nur um jenes Gerücht zu widerlegen. Doch so schön und reizvoll seine Gespielinnen auch sein mochten, wäre er viel lieber mit April zusammen gewesen.
Einige seiner verheirateten Freunde beneideten ihn um seine umfangreiche Sammlung an Freundinnen. Sie wussten nicht, dass er sie um deren dauerhafte Beziehung zu ihren geliebten Ehefrauen beneidete.
Er drehte sich um und hängte den Kescher an den Zaun. Clyde wandte seine Aufmerksamkeit von dem Löwenzahn neben seinem Rollstuhl ab und starrte über den verlassenen Spielplatz zu dem Schotterweg, der zum Campingplatz führte. Eine Frau mit kurzen blonden Haaren lief mit fuchtelnden Armen auf sie zu und rief etwas.
„Ist das April?“, fragte Clyde.
Glen musterte die Brüste der Frau, die mit jedem Schritt unter dem T-Shirt wippten, und verglich sie mit seiner zierlichen, kecken Geschäftspartnerin. „Nein, April ist kleiner“, entgegnete er und hoffte, dass Clyde die Bemerkung auf die Körpergröße bezog.
„Dann ist es Mrs. Kohlman von Platz R-17“, sagte Clyde.
„Sie und ihr Mann haben diesen blauen Campingwagen.“
Nun erinnerte Glen sich. „Und das kleine Mädchen, nach dem April so verrückt ist.“
Glen lief ihr entgegen, um zu erkunden, was sie derart aufgeregt hatte. Er hörte die Räder von Clydes Rollstuhl hinter sich auf dem Schotter knirschen.
Die Frau schien erst um die dreißig zu sein. Doch die körperliche Anstrengung ließ sie schwer keuchen, so als wäre sie älter als vermutet oder einfach nicht in Form. Ein Schauer rann über Glens Rücken, als ihm eine weitere Alternative einfiel: Panik.
Als er sie erreichte, plapperte sie wirr drauflos. Ihre Stimme klang schrill. Er ergriff ihre fuchtelnden Arme und zwang sie, ihn anzusehen.
In eindringlichem Ton ermahnte er sie: „Beruhigen Sie sich. Sie müssen mir sagen, was passiert ist, wenn ich Ihnen helfen soll.“
Clyde rollte zu ihnen. „Bienenstich?“
Während sie sich die Tränen mit dem Taschentuch abwischte, das Glen ihr gegeben hatte, wiederholte sie ihren aufgeregten Wortschwall, und er verstand die Worte Baby und ver schwunden .
Hastig wendete Clyde seinen Rollstuhl. „Geh du mit ihr. Ich hole Hilfe.“
Während Glen mit der Mutter des vermissten Kindes davonlief, hoffte er inständig, dass Clyde die Situation behutsam handhabte und April schonend beibrachte. Eine zweite hysterische Frau hätte ihm gerade noch gefehlt.
April und Maybelline trafen kurz nach ihm auf dem Campingplatz ein. Mr. Kohlman, der Vater des vermissten Kindes, trat aus einem Waldweg hinter seinem Campingwagen hervor. Der Blick, den er seiner Frau zuwarf, verriet, dass er nicht fündig geworden war.
Er konnte besser als seine Frau erklären, was vorgefallen war. Während er sprach, legte April mitfühlend einen Arm um die junge Mutter. Offensichtlich ging ihr die Sache sehr zu Herzen, und sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.
Mr. Kohlman erläuterte, dass die zweijährige Kimberly gleich hinter ihrem Campingtisch ein Kaninchen erspäht hatte. Sie musste dem Tier in den Wald gefolgt sein, während er die Grillkohle für den Lunch angezündet und Mrs. Kohlman Teller aus dem Wagen geholt hatte.
Glen fühlte mit dem besorgten Paar, aber noch stärker war sein Drang, April zu trösten. Stattdessen teilte er Anordnungen aus. In ihrer Not wirkten die Kohlmans sehr erleichtert darüber, dass jemand die Führung übernahm.
Er reichte Mrs. Kohlman das Funkgerät, das April mitgebracht hatte. „Sie bleiben am besten hier“, entschied er. „Und Sie, Mr. Kohlman, suchen den linken Bereich ab. Ich halte mich in der Mitte, und du, April, übernimmst den rechten Teil. In zwanzig Minuten treffen wir uns wieder hier.“
April nahm ein gelbes Stück Stoff von der Picknickbank. „Gehört das Kimberly?“, fragte sie Mrs. Kohlman.
„Ja. Das ist ihre
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