Bibbeleskaes
Aber vor zwanzig Jahren haben sich Emile und Luc so verkracht, dass Luc auf und davon ist. Brauchst gar nicht zu fragen, zu dem damaligen Streit weià ich nichts. Auf alle Fälle ist Luc in Australien gelandet, hat dort als Kellermeister gearbeitet und ist erst vor einigen Jahren wieder zurückgekehrt. Aber nicht etwa, weil Vater und Sohn sich wieder versöhnt haben, sondern weil Luc von dem kinderlosen Bruder seiner Mutter Haus, Hof und Rebland geerbt hat. Von Australien war er Weinbau im groÃen Stil gewohnt und wollt daheim nicht mehr in Klein-Klein machen, also hat er Rebland getauscht oder gekauft, um ein groÃes Ganzes zu kriegen, und in diesem Zusammenhang hat Luc wieder Kontakt zu seinem Vater aufgenommen, weil sich ein Teil von dessen Weinfeldern wie ein Riegel in Lucs Rebland schiebt. Aber anstatt zu verhandeln, streiten sich die zwei. Vater und Sohn kommen nicht auf einen grünen Zweig miteinander, im Gegenteil, die Fronten werden immer erbitterter. Der neueste Höhepunkt ihrer Streitereien liegt grade mal zwei Tage zurück. Da ist der alte Murnier mit der Rebschere auf den jungen losgegangen. Ort der Handlung war der Hof von Emile, das Hoftor stand offen, mindestens fünf Scherwillerer haben den Krach mitgekriegt.«
FK nahm einen weiteren Schluck Bier und sah mich an. »Du weiÃt so gut wie ich, dass die meisten Morde Beziehungstaten sind. Und hier hast du eine alte, seit Jahren schwelende Familienfehde, also ein astreines Motiv.«
»Und warum hat LeBoeuf dann Jakub Sajdowski verhaftet und nicht Luc?«, warf ich ein. »Oder hat er etwa auch Luc verhaftet?«
»Sicher nicht, nachdem man in Sajdowskis Wohnung das blutverschmierte Hemd gefunden hat. Damit sind wir beim zweiten Hauptverdächtigen. Sajdowskis Streit mit Murnier auf der Tanzfläche haben viele mitbekommen. Gerüchteweise nicht das erste Mal, dass der Pole wegen seiner Frau mit Murnier aneinandergeraten war. Den Alten hat wohl immer wieder der Hafer gestochen, hast du ja selbst mitgekriegt, wenn die Geschichte, die die Hedwig herumtratscht, stimmt.«
Jetzt nahm ich einen Schluck Bier. Wie konnte ich nur annehmen, dass Hedwig auÃer LeBoeuf nur meiner Mutter davon erzählt hatte? FK hackte zum Glück nicht auf der Geschichte herum, er erzählte einfach weiter.
»Jakub Sajdowski arbeitet seit zwei Jahren für Murnier. Er schuftet von früh bis spät und lässt sich vom alten Murnier wie ein Stallknecht herumkommandieren. Wenn er gesoffen hat, soll sein unberechenbares slawisches Temperament mit ihm durchgehen. Gut, es muss noch analysiert werden, ob das Blut auf seinem Hemd das von Murnier ist, aber für alle, mit denen ich gesprochen habe, ist klar, dass er den alten Murnier umgebracht hat. Hat die ewigen Demütigungen nicht mehr ertragen, ist ausgeklinkt.«
»Warum sollte er sonst das blutverschmierte Hemd versteckt haben?«
»Nicht von der Hand zu weisen«, stimmte FK mir zu, aber eher halbherzig. »WeiÃt du, wie stark die Rechten im Elsass sind? Der Front national kriegt bei jeder Wahl im Elsass mehr und mehr Stimmen. Und jetzt überleg mal: So ein Fremder ist für ein Dorf immer der ideale Täter. Damit kommt das Böse von drauÃen und bleibt drauÃen. Auch für die Fautenbacher ist er die beste Lösung, denn so sind sie alle raus, der Mordfall wird zu einer innerfranzösischen Angelegenheit. Oft ist ja wirklich der Erstbeste der Täter. Aber â¦Â«
»Du bist nicht davon überzeugt?«
»Reines Bauchgefühl. Alles spricht gegen Jakub Sajdowski, aber gestanden hat er nicht.«
»Was ist mit den Hellsass Devils?«
FK nickte. »Verdächtige Numero drei. Mit denen wird die Polizei noch ein Weilchen beschäftigt sein. Es heiÃt, dass sie in der Gegend gern Feste aufmischen. Samstagabend-Randale, um ihr Mütchen zu kühlen. Auch, dass einige von ihnen mit dem Front National sympathisieren. Und denen ist so ein deutsch-französisches Freundschaftsfest ein Dorn im Auge. Sie sind eine gröÃere Gruppe, so an die dreiÃig Mann, ein paar Mädchen sind auch dabei. Aber wer von ihnen war gestern dabei? Haben sie eine Rechnung mit Murnier offen? Das sind alles noch ungeklärte Fragen.«
»Einen von ihnen habe ich auf den Hof von Luc fahren sehen.«
»Interessant«, murmelte FK und trank sein Bier aus. »Aber wie auch immer, um deinen Luc musst du dir keine Sorgen machen. Dank dir hat er
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