Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
Vom Netzwerk:
als zufällige Zeugen. Vielleicht bringt es nicht nur beim Mörder, sondern bei allen Beteiligten deren dunkle Seiten zum Vorschein.
    Felix stupste mich an und setzte sich wieder aufrecht hin. »Die zwei Sachen hast du schon als Kind gekonnt«, flüsterte er mir zu. »Andere verteidigen und anderen Angst machen. Weißt du noch, wie du mich bei dem Gewitter aus der alten Kirche gezogen hast?«
    Â»Ich hab dich rausgezogen? Aber du hast mir doch die Glassplitter aus dem Fenster der heiligen Katharina entfernt.«
    Â»Aber erst, als wir wieder in der Sakristei waren. Jesses, war das ein Gewitter! Als sich die Tanne in das Fenster gedrückt und es Glasscherben geregnet hat, hab ich gedacht, die Welt geht unter. Ich hätte mich wahrscheinlich schreiend unter einer Bank versteckt, wenn du mich nicht fortgezogen hättest.«
    So wie er mich dabei ansah, erkannte ich den kleinen, sanften Jungen wieder, der er damals gewesen war. Einer, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, einer, der sich, im Gegensatz zu mir, nie geprügelt hatte. Ein friedlicher Junge, immer mit einem Lächeln ins Gesicht. Mir war er als Kind sehr glücklich vorgekommen. Doch das Glück schien ihn irgendwann verlassen zu haben.
    Â»Es wäre bestimmt sicherer gewesen, unter der Bank zu bleiben, als in die Sakristei zu laufen«, meinte ich.
    Â»Vielleicht. Aber wie du es auch drehst und wendest, es war doch so, dass ich den Kopf in den Sand gesteckt habe und du gehandelt hast. Dieses Forsche und Zupackende habe ich sehr bewundert an dir.«
    Hatte er sich deshalb eine so forsche und zupackende Frau ausgesucht? Eine, die ihn unter ihre Fittiche nahm und gegen das Böse in der Welt verteidigte? Und deren Part ich heute zufällig übernommen hatte?
    Â»Dein Motto war immer: Angriff ist die beste Verteidigung«, ergänzte Felix.
    Â»Ich war so angriffslustig, dass ich mitten in die Glasscherben gestolpert bin! Und du hast mir hinterher mit einer Engelsgeduld in der Sakristei alle Splitter aus dem Knie gezogen.«
    Â»Weißt du noch? Auf einem Splitter war das Auge der heiligen Katharina.«
    Â»Das war so gruselig! Wochenlang ist mir in Alpträumen dieses Auge erschienen, ich habe Pfarrer Schmidt gebeichtet, dass wir heimlich in der alten Kirche waren. Zu zwanzig Gegrüßet-seist-du-Maria hat er mich verdonnert, und danach bin ich jeden Sonntag in die Frühmesse gerannt und hab zu meiner Namenspatronin gebetet, dass sie mir –«
    Â»Dabei hast du heute bestimmt mehr zu beichten als damals«, meldete sich Hedwig mit ihrer glockenhellen Stimme zurück. Sie schien ihre Giftkartuschen aufgefüllt zu haben.
    Felix zuckte zusammen und sackte sofort wieder tief in seinen Sitz. Wieso ließ er sich von ihr so viel Angst machen? Jetzt sprühte sie ihr Gift doch in meine Richtung.
    Â»Du willst über Sünden reden?« Ich beugte mich vor und verschränkte meine Arme auf Hedwigs Sitzlehne, sodass sie gezwungen war, sich umzudrehen. Ich sah, dass sie erstaunlich kleine Ohren hatte. »Dann zähl mir doch mal auf, welche Sünden der alte Murnier begangen hat, dass ihn einer deswegen erstochen hat. Oder war er ohne Schuld?«
    Â»Jetzt sag bloß, du weißt das nicht? Woher auch? Warst ja viel zu beschäftigt damit, dem jungen Murnier hinterherzusteigen. Vielleicht wollt der sich von dir gar nicht finden lassen?«
    Mach dir niemals eine Frau mit kleinen Ohren zur Feindin, war der Ratschlag meiner Küchenchefin in Florenz gewesen, denn die sind am gemeinsten! Für so einen abergläubischen Kram hatte ich noch nie eine Antenne, aber jetzt fiel mir der Satz wieder ein, weil bei Hedwig die Kombination stimmte. Die hatte kleine Ohren und war richtig gemein. Das war eine, die ein Talent für die Schwachstellen der anderen hatte. Eingepackt in eine süße rosa Fassade blühte sie auf, wenn es ans Sticheln ging, für sie war es ein innerer Vorbeimarsch, andere mit Dreck zu bewerfen. Ich entschied, dass Angriff auch bei ihr die beste Form der Verteidigung war, und bluffte.
    Â»Du hast also nicht mitbekommen, wie Murnier Sajdowskis Frau begrapscht hat?«
    Â»Oh, ich habe mehr mitbekommen als jeder andere!«, erwiderte sie eifrig. »Bei mir ist nämlich nach einem Glas Sekt immer Schluss mit Trinken, denn ich weiß genau, was der Teufel Alkohol mit den Leuten macht. Und gestern Nacht ist gesoffen worden, was das Zeug hält. Da sind alle

Weitere Kostenlose Bücher