Bibbeleskaes
Hemmungen gefallen. Das weiÃt du ja selbst am besten.« Eine kleine Pause, in der sie scheinbar besorgt auf Antwort wartete. Als ich ihr den Gefallen nicht tat, machte sie weiter. »Und so alte Leut wie der Murnier, die denken dann, dass sie wieder jung sind und dass alle Frauen sie für heiÃe Feger halten. Ich mein, die Sache hätte man auch eleganter aus der Welt schaffen können. Der Sajdowski hätte den Murnier nicht zu Boden schubsen müssen. âs hätt doch gereicht, er klatscht seine Frau ab und tanzt mit ihr von der Tanzfläche. Aber der hat ja schon nicht mehr geradeaus gucken können, so besoffen wie der war.«
»Und hinterher ist er mit dem Messer auf Murnier los und hat ihn erstochen?«
Jetzt schüttelte sie den Kopf, wie man ihn schüttelt, wenn ein kleines Kind Unsinn erzählt.
»Erst hat er sich mit seiner Frau gestritten und die dann heimgeschickt«, erklärte sie im Tonfall einer genervten Erzieherin. »Er ist noch geblieben und hat weitergesoffen. Ist kurz nach dem alten Murnier gegangen. Weià ich genau. Weil ich hab in der Zeit mit der Erna vor der Tür gestanden und ein bisschen frische Luft geschnappt, âs war doch so heià drinnen. Ich kann nur sagen, der Pole hat nimmer geradeaus gehen können, aber seine Augen haben geglüht vor Hass.«
Und genau das hatte sie LeBoeuf erzählt, da war ich mir sicher. »Behauptetes Wissen«, nannte Alban Brandt das. Etwas, das immer nur mit allerhöchster Vorsicht zu genieÃen sei.
»Und das Messer?«, fragte ich. »Hatte er das bei sich?«
»Also, wenn der mit einem Messer aus dem Saal gekommen wäre, hätte ich doch sofort Alarm geschlagen.« Wieder ein glockenhelles Lachen für den ganzen Bus.
»Hätte er es irgendwo verstecken können?«
»Ich habe keinen Röntgenblick, wenn du das meinst.«
»Die Heimat hat uns wieder«, unterbrach Käshammers Stimme unser Duell.
Alle Blicke richteten sich nach drauÃen auf den Rhein, der genauso träge dahinfloss wie bei der Hinfahrt. Allerdings glitzerte er heute nicht im Sonnenlicht, heute trieb der Wind schwarze Wolken gen Osten auf den Schwarzwald zu. Ich fragte mich, wann dieser Sajdowski mein Messer eingesteckt hatte, wenn er Murnier direkt gefolgt war.
»Ein Messer«, sagte Felix, als hätte er meine Gedanken erraten, »lässt sich leicht besorgen. Jeder im Festsaal hat gewusst, dass in der Küche Messer waren. Und leicht verstecken lässt sich ein Messer allemal. Im Hemdsärmel, in einem Socken, wennâs ein Klappmesser ist, in der Hosentasche.«
»Aber«, widersprach ich. »Wenn einer ein Messer versteckt, dann will er es benutzen, dann plant er einen Mord. Und was Hedwig über Sajdowski sagt, klingt nicht nach Vorsatz, eher nach Affekt.«
»WeiÃt du, ob die Gesetze der Logik bei einem Mord gelten? Es passieren so viele Verbrechen, für die es keine Erklärung gibt. Es gibt sogar Täter, die hinterher nicht sagen können, warum sie es getan haben.«
Aber ich wollte wissen, warum sich der Täter mein Messer dafür ausgesucht hatte, ob es nun für den Mord eine Erklärung gab oder nicht. Doch das konnte ich nicht laut sagen, also hielt ich den Mund und sah nach drauÃen, wo â na was wohl? â Maisfelder den Weg bis zur Autobahn säumten. Die schwarzen Wolken, die bleiern auf den Mais drückten, reisten mit uns. Nachdem wir die Raststätte Appenweier passiert hatten, lieà sich ein erstes, fernes Donnergrollen hören. Ich dachte an Luc, der mit einem Mal so weit weg war, und daran, dass mir immer noch die leiseste Erklärung dafür fehlte, wann und wohin er heute Nacht verschwunden war. Es gab nur einen, der mir da vielleicht weiterhelfen konnte.
Als der Bus in Fautenbach auf dem Parkplatz der Linde anhielt, fing es an zu regnen. Dicke, fette Tropfen trieben die Ankömmlinge zur Eile, man drängte sich aus dem Bus, schnappte sich das Gepäck, hastete schnell zu den parkenden Autos vor dem Rathaus oder lief zu Fuà nach Hause. Ich erwischte Rita und FK , bevor sie zum Sprint in Richtung Rathausparkplatz ansetzten.
Ich packte Rita am Arm. »Leihst du mir deinen Mann noch für eine halbe Stunde? Ich muss etwas Dringendes mit ihm besprechen.«
Ãberrumpelt sah sie abwechselnd von mir zu FK , gleichzeitig wollte sie auf keinen Fall nass werden. FK murmelte, dass er eh noch in die Redaktion
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