Bibbeleskaes
»Mümmele« getrennt war. Die Liebe hatte ihm kein Glück gebracht. Zu noch einem Tanz und noch einem hatte er die schöne Mummelseenixe verführt, sodass sie nicht rechtzeitig zum See zurückkehrte. Sie musste sterben und lieà ihn einsam zurück. Vor diesem Brunnen hatte ich schon heulend mit siebzehn gehockt, nachdem Hubert Lamm mir geschrieben hatte, dass zwischen uns Schluss war. Auch nach der Trennung von Hansi Burgert hatte ich hier gesessen und Trübsal geblasen. Heulen tat ich heute nicht, eher wunderte es mich, dass ausgerechnet ein Lied über einen One-Night-Stand durch meinen Kopf spukte. »Bye, bye my love, machet jot, die Nacht mit dir war schön« sangen die Bläck Fööss. Vielleicht hatten sie recht: Ich sollte Luc vergessen.
Zurück in der Linde fand ich an zwei Tischen neue Gäste, meinen Vater hinter dem Tresen und Martha in der Küche stehend. Während ein paar Wiener Schnitzel in der Pfanne brutzelten, schob sie auf dem Brett vor sich drei Ãpfel hin und her. Mal legte sie diese zwei zusammen, mal jene, dann rollte sie alle drei vom Brett herunter, um sie wieder aufzusammeln und erneut hin- und herzuschieben. Ich drehte ihre Wiener um, ohne dass sie es merkte.
»Was brauchst du dazu? Fritten oder Kartoffelsalat?«, fragte ich.
Sie erfuhr erschreckt zusammen. »Mach, dass du rauskommst«, fauchte sie mich an. »Das ist meine Küche!«
Ich schnappte mir einen der Ãpfel und ging in mein Zimmer. Zu gerne hätte ich mit meiner Freundin Adela telefoniert und ihr alles erzählt. Ich vermisste ihre Schätzelchen-Sätze voll praktischer Lebensweisheit! Aber Adela war mit ihrem Kuno auf Weltreise und zurzeit irgendwo in Tibet, wo es keinen Handyempfang gab.
Und so saà ich allein in meinem Zimmer, wieder den besorgten Blick FK s vor Augen, als ich ihm erzählt hatte, dass Luc beim Aufwachen nicht in meinem Zimmer war, immer noch seine Sätze dazu im Ohr.
»Oh, verdammt, Katharina! Luc verschwindet aus deinem Zimmer, und morgens liegt der tote Emile vor deiner Tür. Das sieht nicht gut aus. Gar nicht gut aus.«
SECHS
Gaston Deville entsprach völlig dem Klischee eines schwulen Zuckerbäckers: Er war rund und rosig, trug eine rosa Kochjacke mit goldenem Namenszug und eine Föhnfrisur, die einem Mitglied der Bay City Rollers alle Ehre gemacht hätte. Wie ein kleiner Schlaraffenlandkönig stand er am Eingang der Küche und wies jedem beim Hereinkommen einen Arbeitsplatz zu. Drei Kochzeilen gab es, mich schickte er in die hinterste.
Zu zehnt waren wir, ich erstaunlicherweise die einzige Frau, die meisten Kollegen blutjung, aber zum Glück waren zwei in meinem Alter dabei. Während Deville die jungen Hüpfer einzeln in Augenschein nahm, machte ich mich mit den Herren meiner Altersklasse bekannt. Thomas und René hieÃen sie, und ich erfuhr, dass die beiden in Brüssel kochten. Brüssel, ausgerechnet Brüssel, da hatte ich auch schon gekocht! Wie das so ist, fragte man nach diesem und jenem, es stellte sich schnell heraus, dass Thomas Roger kannte, mit dem ich mal im La Maison de Cygne gearbeitet hatte, und René Elena, mit der ich bei Gerer in Wien auf dem Garde-manger-Posten gestanden hatte. So ist das immer mit uns Köchen. Jeder von uns wechselt im Laufe seines Berufslebens mehrfach die Stelle und lernt dabei immer andere Köche kennen, die ebenfalls mehrfach die Stelle gewechselt haben. Auch wenn nicht jeder jeden kennt, so kennt man gemeinsam irgendeinen dritten. Eigentlich sind wir Köche ein riesiger Inzuchtverein.
Es tat gut, mit Kollegen zu reden, es tat mir gut, in einer Küche zu stehen. Kochen beruhigte und erdete mich. Genau das brauchte ich nach dem gestrigen Tag.
Der Patissier-Kurs fand in einer nagelneuen Hotelküche in der Rue de Francs Bourgeois im Herzen von StraÃburg statt. Macarons, diese bunten Mandelplätzchen, die seit einigen Jahren in Frankreich en vogue waren, standen heute auf dem Programm. Keine Pariser Patisserie, in der sie nicht zu barocken Pyramiden aufgetürmt oder in asiatisch anmutender Strenge in kunstvollen, farblich aufeinander abgestimmten Mustern präsentiert wurden. Deville war berühmt für seine Macarons.
»Das A und O für das Gelingen der Macarons ist das exakte Einhalten der Mengenangaben. Selbst die kleinste Abweichung kann sich auf das Endprodukt auswirken«, predigte uns Deville, als wir alle die Zutaten für
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