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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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die Plätzchen vor uns aufgebaut hatten. »Ihr braucht dazu eine Hand, so ruhig wie die eines Chirurgen bei einer Herzoperation.«
    Also zog ich mittels einer Spritze exakt fünfzig Milliliter Eiweiß auf, pulverisierte gemahlene Pistazien und Puderzucker mit Hilfe eines leistungsstarken Blenders und trieb diese Masse durch ein Haarsieb, damit ja kein übrig gebliebenes grobes Pistazienkrümelchen überleben konnte.
    Deville prüfte das Nusspulver jedes Einzelnen. Der König der Süßspeisen schritt militärisch streng die Kochzeilen ab, tauchte bei jedem zwei Finger in die Nussmasse, zerrieb sie, schnüffelte daran, rieb noch einmal. Dann nickte er oder gab Order, die Masse erneut durchs Sieb zu streichen. Es fuchste mich, dass ich zu denen gehörte, die wiederholen mussten. Würde mich so ein Nusskrümelchen stören? Nein. Würde es den Teig zum Einsturz bringen? Mit Sicherheit nicht. Aber Patissiers waren nun mal Korinthenkacker, kein Wunder, dass man diese Bonsai-Perfektionisten immer in die hintersten Winkel einer Küche verbannte.
    Weiter ging es mit Eischnee-Schlagen. »Erst aufhören, wenn beim Herausziehen der Rührer steife Spitzen stehen bleiben«, tönte der Meister.
    Die »steifen Spitzen« ließen zwei der Jungspunde kichern, Deville verzieh es mit einem gnädigen Lehrer-Lächeln, mahnte dann aber an, die Nussmasse très doucement , sehr vorsichtig, unter den Eischnee zu heben. Er kritisierte, er lobte, er ließ wiederholen. Genau wie ein Lehrer in der Schule. Fehlte nur noch ein Rohrstöckchen, mit dem er uns auf die Finger klopfte. Als hätte man sie nicht schon längst überwunden, stellten sich sofort die alten Schulmechanismen ein. Ich kam mir plötzlich wie eine blutige Anfängerin vor. Dabei hatte ich schon literweise Eiweiß steif geschlagen!
    Die fertige Masse, wieder vom Meister geprüft, wanderte in Spritztüten. Jetzt war die ruhige Chirurgenhand gefragt, um die Masse gleichmäßig auf die Silikonmatte zu spritzen.
    Â»Kleine Rondelle, eines so schön wie das andere«, befahl Deville.
    Ich gab mein Bestes, aber die ruhige Chirurgenhand ließ sich nicht erzwingen. Mit jedem Kreis, den ich spritzte, kehrte die Erinnerung an das runde Loch im Kopf des toten Murnier zurück. Die Erinnerung an die glibberige Hirnmasse, die Knochensplitter, die Hautfetzen, die blutverklebten Haarbüschel. Und an diesen widerlichen Gestank von Rost und Verwesung. Dieses Loch, war es das Ergebnis eines brutalen Schlages? Oder das eines unglücklichen Sturzes? Und das Messer, hatte man es dem Mann vor oder nach dem Schlag oder Sturz in den Rücken gestoßen? Und warum hatte man meines benutzt? War der Fundort der Tatort? War es möglich, dass direkt unter unserem Fenster Lucs Vater ermordet wurde, während Luc und ich, Luftlinie keine zehn Meter entfernt, wilden Sex miteinander hatten?
    Â»Das sind keine lieblichen Macarons, das sieht aus wie Kraut und Rüben«, stöhnte der Meister, als er sich meine Produktion ansah. »Gleichmäßig, Catherine, das sieht so aus!« Er nahm mir den Spritzbeutel weg und malte aus dem Handgelenk ebenmäßige Tupfer auf die Silikonmatte. »Schau her! Sanfter Druck mit dem Handballen auf den Beutel, die Spritztülle leicht schräg ansetzen, auf drei zählen. Et voilà! Probier es noch mal!«
    Ich tat wie geheißen und mühte mich leidlich, aber meine Hand ließ sich nicht zur Ruhe zwingen. Wie auch, wo doch alles in mir in Aufruhr und durcheinander war? Mein Ergebnis war eine sehr ungleiche Geschwisterreihe. Es gab kleine und große und alle Varianten dazwischen, wie im wirklichen Leben halt, aber das galt nicht für Macarons, die mussten gleichmäßig sein.
    Â»Zur Seite mit ihnen, sie müssen dreißig bis vierzig Minuten an der Luft trocknen, bevor sie in den Backofen kommen«, gab Deville vor. »Danach brauchen sie vierzehn Minuten bei hundertvierzig Grad. Gelungen sind die Macarons, wenn sie eine feste, seidig glänzende Haube und ein schönes Füßchen haben. Füßchen, soll ich das erklären?«
    Für wie blöd hielt er uns eigentlich? Jede badische Hausfrau wusste aus der Weihnachtsbäckerei, was ein Füßchen war. Springerle hatten Füßchen, Anisplätzchen hatten Füßchen. Wenn die Füßchen fehlten, hatte man die Eiermasse nicht lang genug geschlagen …
    Die Macarons

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