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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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müsse, ich hielt ihren Arm weiter fest.
    Â»Zum Abendessen bist du spätestens zu Hause«, entschied sie, befreite ihren Arm und sauste los, FK seufzte hinter ihr her.
    Â»Na los. Schnell nach drinnen«, forderte ich ihn auf. »Ich spendiere dir auch ein Tannenzäpfle. Oder ist dir ein Ulmer Bier lieber?«
    Erst als wir die paar Meter auf den Eingang der Linde zuliefen, sah ich, dass mein Vater dort unter dem Vordach stand und das Treiben vor seiner Tür beobachtete. Als alter, erfahrener Wirt hatte Edgar eine Antenne für Gerüchte und Geschwätz, er konnte sogar das Gras wachsen hören. Bevor er ins Haus zurückkehrte, würde er wissen, was in Scherwiller passiert war. FK und ich sprangen die wenigen Treppen zur Linde hinauf, dann traten wir in die Gaststube. Jetzt, wo es draußen aus Kübeln schüttete, wirkte der Raum wie eine Höhle. Die niedrige Decke, die knarzenden Bodenbalken, die kleinen Fenster, der alte Kachelofen und mittig zwischen den Tischen die schwere Holzsäule, die das alte Haus schon immer zusammenhielt. Licht brannte nur über dem verwaisten Tresen, am Stammtisch hockten die üblichen Gestalten beim Bier, ansonsten war die Gaststube leer.
    Unter normalen Umständen hätte sie sich nach der Ankunft des Busses und bei so einem Wetter schnell gefüllt, im Dorf war es üblich, noch ein »Scheidebecherle« zum Ausklang eines Ausfluges zu trinken. Auf den Heimweg machte man sich erst, nachdem die Musik ein Abschiedslied gespielt hatte. Doch heute drängte keiner in die Gaststube, und es würde auch keiner mehr kommen. Das sagte mir das Verhalten von Martha und Edgar, die nun ebenfalls in die Gaststube traten und einfach stehen blieben, sich nicht wie sonst schnell in die Küche oder hinter den Tresen stürzten.
    Edgar hielt Marthas Koffer in der Hand, Martha die schwere Handtasche unter dem Arm geklemmt. Sie wirkten wie bestellt und nicht abgeholt. Ein altes Paar, nach vielen Reibereien zu einer Einheit verwachsen, inzwischen mit fast fünfzig gemeinsamen Ehejahren auf dem Buckel. Untrennbar, auf ewig ineinander verkeilt, dachte ich, bis Martha sich mit einem Ruck aus der Erstarrung löste und in Richtung Küche verschwand, während Edgar den Koffer die Treppe hoch ins Schlafzimmer schleppte.
    Ich zapfte FK ein Ulmer Bier, holte mir ein Tannenzäpfle aus dem Kühlschrank und setzte mich zu ihm auf die Bank vor dem alten Kachelofen, meinem Lieblingsplatz in der Gaststube, seit ich denken konnte.
    FK nahm einen kräftigen Schluck und stieß dann ein wohliges Aaahh aus.
    Â»Mit ihrem Kronenbourg-, Fischer- oder Meteor-Bier mögen die Elsässer bei den Innerfranzosen punkten, aber im Vergleich zu unserm Ulmer können sie einpacken. – Also, was willst du wissen?«
    Ich fragte nach Luc.
    Â»Mannomann! Dich hat’s ja wirklich schwer erwischt.«
    Er betrachtete mich mit einer Mischung aus Sorge und Spott, nahm einen weiteren Schluck Bier, mit dem er einen biestigen oder mitleidigen Kommentar zu meinem Zustand hinunterspülte, dann räusperte er sich. »Obwohl dir der junge so wichtig ist, fang ich doch mit dem alten Murnier an. Schillernde Gestalt, im Dorf nicht ohne Einfluss. In seiner Jugend ein begnadeter Fußballer, dank ihm hat die Union sportive Scherwiller in den sechziger Jahren im elsässischen Fußball ganz weit vorne gekickt. Ein kleiner Star damals, zudem ein Weiberheld. Emile war übrigens als Stürmer beim ersten Spiel Fautenbach – Scherwiller im Einsatz. Da allerdings hat er den Franzosen nicht zum Sieg verholfen. Du musst dir mal Bilder von ihm aus der Zeit ansehen. Erinnerst du dich an den jungen Jean Gabin in ›Hafen im Nebel‹, den wir mal im Tivoli gesehen haben? Dem sieht er auf den alten Fotos verdammt ähnlich.«
    Â»Dass er früher gut Fußball gespielt hat, wird ja nichts mit seinem Tod zu tun haben«, unterbrach ich ihn. »Ich will doch eigentlich nur wissen, ob Luc …«
    Â»Jetzt wart’s doch ab, ich komm schon noch zu deinem Luc! Du sollst nur erst das Familiendurcheinander kennenlernen. Also, der schöne Fußballgott Emile heiratet die scheue Ernestine, die drei Hektar Rebland mit in die Ehe bringt – ein Schelm, der denkt, er hat sie nur deshalb geheiratet! –, Ernestine wird die Mutter von deinem Luc, dem einzigen Kind der Murniers übrigens, und der soll natürlich den elterlichen Betrieb übernehmen.

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