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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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machen Torten, die sind besser als die Macarons von Deville. Können wir uns da treffen?«
    Â»Ich komme nach Straßburg«, bestimmte ich. »Ich bin in einer halben Stunde da.«
    Â»Münster, Haupteingang«, schlug Sandrine als Treffpunkt vor.
    So fuhr ich wieder über die Storchen-Autobahn nach Straßburg hinein, ließ den Wagen am Park-and-ride stehen und setzte mich in die Bahn.
    Vor dem Münsterplatz summten Touristenschwärme aus aller Welt, schließlich war das Straßburger Münster ein Muss für jeden Besucher des Elsass. Der Turm bis ins neunzehnte Jahrhundert der höchste Europas, die Fensterrose in der Hauptfassade, überhaupt die Hauptfassade ein Meisterwerk gotischer Baukunst, berühmt auch die Astronomische Uhr und die Silbermann-Orgel. Und natürlich der Blick vom Turm aus über das Rheintal, den Schwarzwald und die Vogesen, bei Föhn bis zu den Alpen. Nicht zu vergessen die klugen und die törichten Jungfrauen am Seitenportal, die Antoinette mir mal gezeigt hatte.
    Wegen all dem kamen die Leute hierher. Und zwischen ihnen die fliegenden afrikanischen Händler mit Gürteln und Kettchen, die Fremdenführer mit nach oben gereckten Schirmspitzen, die Sandwich-Träger und Flugzettelverteiler, die für versteckt liegende Restaurants oder einen neuen Handyvertrag warben. Schräg vis-à-vis das berühmteste Restaurant der Stadt, das Maison Kammerzell, prächtig, krumm, uralt, schwarze Fachwerkbalken, dazwischen leuchtendes Rot, umweht vom Duft von Choucroute. Es gab keinen besseren Platz als die weiß lackierten Eisenstühle davor, um den Trubel auf dem Münsterplatz zu beobachten.
    Ich entdeckte Sandrine neben dem Haupteingang vor einer frisch gehämmerten Bretterwand, hinter der etwas repariert wurde. Das Straßburger Münster war genauso eine ewige Baustelle wie der Kölner Dom. Im Schneidersitz hockte das Mädchen auf dem Boden und tippte irgendwelche Nachrichten in ihr Smartphone. Sie trug wieder Schwarz und dicken Kajal um die Augen, hängte sich im Aufstehen eine Tasche aus merkwürdigem grauen Kunststofffell um, an der ein paar Plastiktotenköpfe und eine rosa Trillerpfeife baumelten.
    Â»Ich wäre gerne nach Achern gekommen«, maulte sie. »Die Schwarzwälder Kirschtorte ist genial.«
    Â»Ich nehme nicht an, dass du mich wegen einer Schwarzwälder Kirschtorte angerufen hast.«
    Sie klemmte ein paar Strähnen ihrer Amy-Winehouse-Frisur hinters Ohr und musterte mich genauso misstrauisch wie vor ein paar Tagen an ihrer Haustür. »Wegen Ihnen spielen also Dads Hormone verrückt.«
    Ihr Deutsch war fehlerfrei, allerdings mit einem leicht englischen Akzent. Vielleicht sprach sie so, weil sie mit einer deutschen Mutter und einem elsässischen Vater in Australien aufgewachsen war, vielleicht kultivierte sie den Akzent aber nur, um sich eine besondere Note zu geben.
    Â»Haben Sie Kinder?«
    Hatte ich nicht und genauso wenig Lust, mich dem Kreuzverhör einer misstrauischen Tochter zu stellen. Die sollte ihre persönlichen Empfindlichkeiten mal schön hintanstellen. Schließlich saß ihr Vater im Gefängnis und musste da so schnell wie möglich wieder raus. Deshalb war ich hier.
    Â»Wie geht es Luc? Kann ich ihn besuchen? Braucht er einen Anwalt?«, fragte ich.
    Ohne zu antworten und ohne auf mich zu achten, bahnte sich Sandrine einen Weg durch die Touristenmassen in Richtung Gutenberg-Platz. Konnte sie nicht stehen bleiben? Oder wenigstens sagen, was sie vorhatte? Ich erinnerte mich, dass Luc in einem Nebensatz über Sandrines pubertäre Wirren gestöhnt hatte: tausend Hormone, die im Körper verrücktspielten, und ein Selbstbild, das frisch gezimmert werden musste. Himmel, diese Gören konnten kapriziös sein! Ich schlängelte mich hinter ihr her, bekam sie vor einem Geschäft, das Soufflenheimer Keramik verkaufte, zu schnappen.
    Â»Einen Anwalt hat er, der war auch schon bei ihm, aus der Familie darf ihn keiner besuchen«, leierte sie wie auswendig gelernt herunter. » Garde à vu heißt das, Gefahr im Verzug, was weiß ich, ist mir alles schleierhaft. Maître Sendrier weiß auch nicht alles, manches, was er erzählt, kapiere ich nicht. Er sagt, solange Dad in der garde à vu ist, kann er, Sendrier, wenig tun. Aber in der garde à vu darf die Gendarmerie Dad nur für kurze Zeit gefangen halten, und dann kommt Sendrier an alle Akten

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