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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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gerettet hatte; aber Tou war nicht nach Dank, er hatte offenbar das Bedürfnis, Jake alles zu erklären. »Hmong-Frau, sie erzählt Chemda, dass sie Großmutter kennt, königliche Khmer-Lady, alle wissen, was ihr passiert ist. Der Großmutter. Als Rote Khmer zur Ebene von Tonkrüge kamen, neunzehn… neunzehnhundert…«
    »Neunzehnhundertsechsundsiebzig.«
    »Ja. Da haben sie etwas mit Großmutter von Chemda getan. Den Kopf aufgeschnitten. Für …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »Für Experimente? Medizinische Experimente. Sie haben den Kopf aufgeschnitten, wie bei einer Ziege auf dem Markt.«
    Jake schaute die Straße hinunter zu Chemda. Was sollte das bedeuten? Aufschneiden? Experimente?
    Laut kreischend, auf der Flucht vor einem unsichtbaren Verfolger, schoss, zinnoberrot und gelb, ein Sittich über sie hinweg.

9
    D as Flugzeug stand auf der schlammigen Landebahn und wartete auf sie. Sogar aus zweihundert Meter Entfernung konnte Jake die Sitze zählen. Vier. Nur ein kleiner Viersitzer: winzig und alt, aber zweckmäßig. Jake fragte sich, wozu das Flugzeug normalerweise verwendet wurde: Um die Felder mit Pflanzenschutzmittel zu besprühen? Um Drogen zu dealen? Oder Waffen zu schmuggeln?
    Er hatte keine Zeit, um lange zu fragen. Der Propeller drehte sich bereits, und die Hmong-Rebellen, die sie zur Startbahn begleiteten, lächelten angespannt; sie schienen es kaum erwarten zu können, sie loszuwerden.
    Als Jakes Blick auf Tou und Yeng fiel, die sich ruhig miteinander unterhielten, regte sich ein Verdacht in ihm. Irgendjemand musste sie verraten haben. Die Polizei in Phonsavan hatte gewusst, wo sie zu finden waren. Könnte Yeng sie verraten, einem Polizisten einen Tipp gegeben haben? In Laos waren zwanzig Dollar wie ein Sechser im Lotto. Vielleicht hatten sie sich seine Loyalität gekauft.
    Aber bei genauerer Überlegung ergab es keinen rechten Sinn. Weshalb hätte Yeng die Strapazen der letzten vierundzwanzig Stunden auf sich nehmen und Tou, Chemda und Jake vor der Polizei retten sollen, wenn er gleichzeitig beabsichtigt hätte, sie ihnen auszuliefern? Nein, Yeng konnte es nicht gewesen sein.
    Auf dem Weg zur Startbahn passierten sie eine Sperre aus rostigen Budweiser-Fässern. Die Szenerie hatte etwas unbeschreiblich Verlassenes. Der ehemals verkehrsreichste Flughafen Indochinas war inzwischen nur noch ein Museum für tropisches Unkraut und bröckelnden Beton und mit verrosteten Coca-Cola-Schildern verzierte Hütten: alles sehr retro, letzte Zeugen einstigen Glanzes.
    Der ganze Ort war durchdrungen von einer Atmosphäre schwelgerischer Dschungelnostalgie, von Erinnerungen an junge amerikanische Piloten und tote Hmong-Heroen, an den Duft von Marihuana und schneeweißes Heroin, an große, kräftige GI, die sich in ihren Jeeps fläzten, mit den Doors zudröhnten und vom Vietcong und von LZs und Willy Peter quatschten …
    Jake wandte sich wieder Chemda zu. In ihren braunen Augen waren nur noch tiefe Dankbarkeit und Erschöpfung; nichts mehr von der angespannten Wachsamkeit, mit der sie in die Krüge von Areal 9 gespäht hatte.
    Krüge. Areal. Neun. Das Puzzleteilchen fügte sich erfreulich nahtlos in seinen Platz in Jakes Kopf. Areal 9! Die laotische Regierung war genauestens im Bild, was in Areal 9 entdeckt worden war. Und sie hielt immer noch ihre schützende Hand darüber. Eine kommunistische Regierung, die schützte, was kommunistische Genossen in den siebziger Jahren entdeckt hatten. Eine letzte Fundstätte, die unangetastet erhalten wurde. Möglicherweise für diesen Amerikaner. Fishhook.
    Langsam nahm alles Gestalt an. Jakes Auftauchen in Phonsavan konnte nicht unbemerkt geblieben sein – er war buchstäblich der einzige Weiße in der Stadt gewesen, in die sich sonst kaum ein Tourist verirrte. Und dann hatten sie jemand nach Süden, zur Ebene der Tonkrüge fahren sehen – und hatten es der Polizei gemeldet. Und prompt hatten sich die schmächtigen, ewig lächelnden Polizisten von Phonsavan bemüßigt gefühlt, Areal 9 zu schützen, und sich an ihre Fersen geheftet.
    Aber warum maßen die Behörden und auch Professor Samnang dieser Fundstätte solche Bedeutung bei? Damals und jetzt? Ein paar alten Schädeln und verkohlten Rippen in einem riesigen Steinkrug?
    Jake ließ seinen Blick über den Horizont wandern, als hinge die Antwort an den Mangobäumen. Aber er erhielt keine Antwort. Nur ein Affe johlte im Dschungel; entfernt menschlich, aber zugleich unverkennbar nicht menschlich. Ein Makake? Ein

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