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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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etwas Bezauberndes und zugleich Sarkastisches, fein und intelligent. Im vollen Bewusstsein der Absurdität ihrer Situation.
    »Was für eine Nacht.« Jake schüttelte den Kopf, und das Lachen erstarb auf seinen Lippen. »Und was für zwei unglaubliche Tage.«
    »Samnang.« Chemda seufzte und schluckte ihre Emotionen hinunter. »Ich werde immer noch nicht schlau aus dem Ganzen. Aiii. Khoeng koch … «
    Sie hatte auf einmal begonnen, auf Khmer zu sprechen; eigentlich verstand Jake kein Wort von dem, was sie sagte.
    Und doch verstand er sie irgendwie. Plötzlich war ihm, als flöge er aus den dichten Wolken in den strahlend blauen Sonnenschein der Wahrheit hinaus.
    »Es war Selbstmord!«
    »Was?«
    »Samnang wurde nicht ermordet. Er hat sich selbst umgebracht.
    « Chemda sah ihn verständnislos an.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Er muss Selbstmord begangen haben. Verstehst du denn nicht? Sonst wäre der Zufall zu groß. Überleg doch mal. Dein anderer Professor läuft einfach in ein Minenfeld, obwohl er sich der Gefahr bewusst ist? Hältst du das für wahrscheinlich? Weshalb hätte er das tun sollen? Und dann stirbt auch der andere Professor – schneidet sich die Kehle durch, hängt sich selbst auf …«
    »Aber warum? Warum sollte er sich umgebracht haben?«
    Das Flugzeug legte sich auf die Seite. Jake fuhr hastig fort: »Vielleicht hat jemand versucht, die beiden alten Historiker einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, dir bei deinen Nachforschungen zu helfen. Vielleicht hat jemand sie massiv unter Druck gesetzt, ihnen zum Beispiel damit gedroht, ihren Familien etwas anzutun?« Jake spekulierte einfach wild drauflos. Völlig unwissenschaftlich. Aber er war sich seiner Sache sehr sicher. »Und deshalb hat sich Samnang umgebracht – und sogar ganz bewusst auf diese brutale Art. Sein Tod war sozusagen eine Nachricht, Chemda, ein Abschiedsbrief, den niemand verschwinden lassen könnte. Er wusste ganz genau, dass jemandem die grausige Parallele auffallen würde.«
    Chemda runzelte skeptisch die Stirn.
    Jake fuhr fort: »Die Sache ist doch ganz einfach. Tou kommt zu ihm und sagt: ›Wir haben die Krüge gefunden; sie existieren immer noch.‹ Und dann – verstehst du jetzt?«
    »Na schön …« Chemda nickte. »Und dann, gut, dann wird Samnang klar, dass etwas Fürchterliches an den Tag kommen wird – etwas, woran er vor langer Zeit beteiligt war. Er weiß keinen Ausweg mehr. Aber er möchte eine Nachricht hinterlassen, die niemand zerstören oder verschwinden lassen kann …« Sie dachte kurz nach. »Trotzdem, ein Selbstmord? Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    »Das Messer«, platzte Jake fast triumphierend heraus. »Das Messer lag neben ihm auf dem Boden. Würde ein kaltblütiger Killer so etwas tun? Die Mordwaffe neben der Leiche liegen lassen? Dass es Tou nicht gewesen sein kann, steht völlig außer Frage. Er hat kein Motiv. Und wenn es die Polizisten waren, hätten sie das Messer behalten und dazu benutzt, Tou den Mord anzuhängen …«
    Darauf trat kurzes Schweigen ein. Der Pilot unterhielt sich im Cockpit mit jemandem über Funk. Jakes Anspannung, die vorübergehend verflogen gewesen war, kehrte zurück; er hatte – vielleicht – das Rätsel von Professor Samnangs Tod gelöst, aber ihre Lage blieb brisant. Äußerst brisant sogar. Mit wem sprach der Pilot gerade? Und was sagte er? Jake fiel ein, dass er Chemda unbedingt eine Frage stellen musste, eine Frage, die ihn schon seit einiger Zeit beschäftigte.
    »Warum fliegen wir nicht direkt nach Phnom Penh? Das wäre doch auch nicht weiter.
    « Chemdas ovales Gesicht war schmutzig und von Müdigkeit gezeichnet.
    »Wenn wir versuchen würden, direkt über die Grenze zu fliegen, würden sie sofort auf uns aufmerksam. Wegen der Luftraumüberwachung. Wir könnten gewaltigen Ärger kriegen. Wenn wir dagegen zuerst nach Luang fliegen, gibt es andere, wesentlich unauffälligere Möglichkeiten, außer Landes zu kommen. Straßen durch den Dschungel.«
    »Außerdem gibt es in Luang jede menge Touristen.«
    »Genau«, sagte Chemda. »Für dich ist es dort auf jeden Fall sicherer. Da fällst du nicht so auf.« Sie drehte sich mühselig in der engen Kabine, um auf den grünen Pelz der unter ihnen vorbeiziehenden Landschaft hinabzuschauen. Die Wälder lichteten sich bereits, die Berge wurden flacher und weniger schroff.
    »Da vorn ist der Mekong. Wir sind bald da.«
    »Wo wollen wir in Luang absteigen? Ich kenne dort ein paar Unterkünfte, und …«
    Chemda

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