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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa O'Donnell
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für jemand anders zubereitest. Jetzt kann ich es dir ja sagen. Das Geheimnis, mein Liebster, ist Zitronenschale. Wenn du gerade nicht hingesehen hast, habe ich eine Zitrone ganz fein abgerieben und sie danach im obersten Regal vom Schrank unter der Treppe versteckt. Jedes Jahr an Silvester habe ich einen Crumble aus den Beeren gemacht, die wir den Sommer über gesammelt und eingefroren hatten, das ist zu einer Art Tradition geworden. Es ist lange her, dass ich irgendeine Tradition gepflegt habe, und umso schöner ist es, jetzt wieder daran anzuknüpfen.

Marnie
    Wo Gene ja jetzt den Garten düngt, warten Nelly und ich, dass endlich alles wächst, nur haben meine Schwester und ich nicht gerade einen grünen Daumen, anders als der neugierige Kinderschänder von nebenan. Gestern ist er sogar zu uns rübergekommen, hinter dem üblen Gazezeugs hervor, das er Gardinen nennt. Lennie heißt er, und ich hab den Schreck meines Lebens gekriegt, als ich ihn hinten im Garten gesehen hab, und dann hat sein Köter auch noch an dem Lavendel rumgezerrt, aber er hatte ihn Gott sei Dank an der Leine. Ich weiß nicht, was sich Nelly dabei gedacht hat, ihn zu den Blumenbeeten zu führen. Diese Hohlbirne. Na, jedenfalls ist er gar nicht pervers, wie sich dann rausgestellt hat, nur ein alter Schwuler, der sich von Sandy Lane einen runterholen lassen hat. Jetzt hat er Gewissensbisse und schämt sich ohne Ende, und einmal dachte ich, gleich heult er los. Er tut mir ja schon ein bisschen leid, aber nur ein kleines bisschen, er ist immer noch ein Perverser, wenn er für Sex bezahlt. Als er den Jungen beschrieben hat, der ihn gewichst hat, blieb mir fast die Luft weg. »Ein junger Bursche, rotes Haar, nicht mal sechzehn«, sagt er. Ich wusste sofort Bescheid. Sandy Lane ist natürlich nicht sein richtiger Name, in echt heißt er Sandy Simpson, wir nennen ihn nur so, weil er da quasi zu Hause ist, in irgendwelchen Gassen und Durchgängen, an Bushaltestellen und Bahnhöfen.
    Wir haben immer zusammen gespielt, Sandy und ich. Ich hab ihn voll rumkommandiert, wie einen Hund oder so, und irgendwann wollte er nicht mehr, hat sich einen Ball besorgt und im Treppenhaus rumgekickt. Einen Höllenlärm hat er veranstaltet und sich eine Menge Ohrfeigen eingefangen.
    Seine Mum hat eine Weile mit Izzy rumgehangen. Tagsüber haben sie Wein getrunken und abends Britney gehört. Sie haben sich diese albernen biegsamen Strohhalme um die Ohren gelegt und so getan, als wären es Mikros, und sie haben ihre T-Shirts hochgewickelt und ihre Wabbelbäuche gezeigt. Anne hieß sie, Sandys Mum, meine ich. Sie ist dann eingebuchtet worden, nachdem sie irgend so einer Tussi eine Flasche übergezogen hat, weil die angeblich mit ihrem Freund geknutscht hat, nur dass Annes Freund auf dem Klo war. Die halbe Visage hat sie ihr weggedroschen. Sie hat mindestens ein Jahr gesessen, und dann ist sie zu den Gottespredigern gegangen. Sie hat aufgehört mit den Drogen und ist in einem neuen Leben aufgewacht, das sie nicht mehr wiedererkannte, aber Sandy, ihren einzigen Sohn, den kannte sie auf einmal auch nicht mehr, und nicht, weil sie ihn vergessen hätte.
    Der arme Sandy, dabei war er immer so süß mit seinen roten Haaren, den blauen Augen und der Pfirsichhaut mit den winzigen Sommersprossen. Er ist seiner Mutter nachgelaufen wie ein Hund. Er hat sie geliebt, so wie ganz kleine Jungs ihre Mum lieben, abhängig und vertrauensselig, hat gehofft und gewartet und manchmal stundenlang vor irgendwelchen Kneipen auf dem Bürgersteig gehockt, egal, bei welchem Wetter, und Chips gegessen oder was er sonst so von den Leuten in der Straße bekommen hat. Und von Fremden. Sandy hat Grund, seine Mutter bis in alle Ewigkeit zu hassen. Ihre Reue geht ihm total am Arsch vorbei, und manchmal taucht er in einem schmuddeligen Pennermantel vor ihrer Kirche auf. Er bettelt vor ihren Knien um Geld, nennt sie »Mummy« und sagt »bitte« und »verzeih mir«, so lange, bis sie sich umdrehen und gehen muss. Dann wissen alle in der Gemeinde Bescheid. Wer sie ist. Wo sie herkommt. Was sie gemacht hat. Dann verstehen sie, warum sie zwischen ihnen in den Bankreihen sitzt, Ikonen anstarrt und auf Gottes Urteil wartet, auf Vergebung für den Jungen, der immer noch am Straßenrand auf sie hofft.

Nelly
    Ich hatte gehofft, dass er nett ist. Er ist reizend. Ein sehr unterhaltsamer Zeitgenosse, wirklich ein feiner Kerl. Er serviert Teekuchen mit Quark und spielt Beethoven und Bach. Er ist ein hervorragender Pianist,

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