Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
und beschloss, neugierig zu sein. Schließlich war er ihr Vater.
»Open Air?«
»Eine Hollywood-Schmonzette. Gefällt dir bestimmt nicht«, setzte Özlem schnell nach.
Natürlich zeigte Zeki Verständnis für seine neunzehn Jahre alten Zwillingskinder, die nicht darauf versessen waren, ihn mitzunehmen. Um aber seinem Ruf als eigenbrötlerischer Zeitgenosse gerecht zu werden, schwieg er bedeutsam.
»Da gibt es Bier vom Fass, die Verlockung wäre zu groß«, wandte Özlem schließlich ein.
Zeki hüstelte, um zu überspielen, wie sehr ihn die unerwartete Begründung erschrak. »Danke für dein Mitgefühl, geliebte Tochter! Sag den zweien, sie sollen leise sein, wenn sie nach Hause kommen. Viel Spaß bei dem Film.«
Kaum hatte er aufgelegt, läutete sein Diensthandy im Flur. Auf dem Weg dorthin blickte er auf die Küchenuhr, Viertel vor neun – noch sechs Minuten bis zum Fastenbrechen. Entnervt zog er das Handy aus dem Sakko. Im Display blinkte Jales Büronummer auf.
»Jale, was gibt es? Es ist spät«, brummte er in den Apparat.
»Ging nicht schneller.«
»Und?«
»Auf den Überwachungsvideos von der Börse und zwei weiterer Gebäude war nichts. Ich habe über den Brauereiverband erfahren, dass es in Deutschland rund eintausendsechshundert Brauereien gibt. Raten Sie mal, wie viele es allein in Bayern gibt.«
»Ich habe keine Lust, zu raten, Jale«, antwortete er knapp und legte die Hand auf den Bauch, um das Knurren abzudämpfen.
»Knapp sechshundertdreißig! Ich habe allen, die mit einem M anfangen, eine Anfrage per Mail geschickt. Habe bisher erst zwei negative Antworten. Ist ja schon spät.«
»Gut.«
»Sonst noch was?«
»Viel Spaß beim Open Air.«
Zeki hatte in einem grundsätzlichen Gespräch mit seiner Mitarbeiterin die Regel aufgestellt, Berufliches und Privates nicht zu vermischen. Auch bestand er darauf, dass Jale ihn siezte, um deutlich zu machen, nicht bevorzugt behandelt zu werden. Beides fiel schwer genug, da man ja zusammenwohnte. Aus dem Grund wunderte er sich nicht, dass seine Kollegin und gleichzeitige Freundin seines Sohnes wegen der persönlichen Bemerkung einen Augenblick brauchte, um sich zu sammeln.
»Danke. Ich koche morgen, okay?«, antwortete sie etwas durcheinander.
»Wie wäre es mit
dolma?
«, schlug er vor.
»Gefüllte Weinblätter sind nicht gerade meine Stärke.«
»Lass dir von Aydin helfen. Er hat das Rezept von seiner Mutter. Das schafft ihr schon«, wiegelte Zeki ihre Bedenken ab und legte auf.
Dann eilte er in die Küche und machte sich auf die Sekunde genau daran, den Fastentag zu brechen. Der saftige Geschmack der grünen Olive, die er nach dem obligatorischen Gebet in den Mund steckte, raubte ihm fast den Verstand. Die wohltuende Wirkung des Münchner Leitungswassers übertraf sogar den Geschmack eines frisch gezapften Weißbieres.
9
P ius Leipold starrte in sein Glas. Es war schon wieder leer. Mit Informationsbroschüren in der Stofftasche einer fränkischen Kellerbrauerei schlenderte er quer durch die Halle. Die Veranstalter des Bierfestivals hatten sich alle Mühe gegeben, den Saal in der alten Messe an der Theresienhöhe hochwertig umzugestalten. Tunlichst hatten sie darauf geachtet, Oktoberfestambiente zu vermeiden, um dem Saufimage des bayerischen Volksgetränkes entgegenzuwirken. Leipold schlenderte zu einem langen Tisch. In Dreierreihen waren darauf Degustationsgläser mit 0 , 1 Liter Fassungsvermögen bereitgestellt. Aussehen und Geschmack der Biere sollten neutral und unverfälscht beurteilt werden: Wie waren Farbe und Trübung des Gerstensaftes? Welche Eigenschaften hatte der Schaum? Waren Porengröße und Haftvermögen ausreichend? Wie entfaltete sich der Geschmack? Sortentypisch? Wie äußerte sich die Intensität des Hopfens? Typgerecht? Zu bitter?
Leipold tauschte sein benutztes Glas gegen ein frisches. Insgeheim ärgerte er sich über die Zumutung, Bier in einem Gefäß kosten zu müssen, das wie ein Weinglas geschwungen war. Ein gläsernes Bierkrügchen, dachte er, hätte den Zweck standesgemäßer erfüllt. Seinen Unmut konnte er mit seinen Kollegen nicht teilen, denn Herkamer und Stern hatten sich nicht blicken lassen. Verständnislos schüttelte Leipold den Kopf. Die beiden tranken Bier wie er. Wie konnten sie sich eine derartige Gelegenheit entgehen lassen?
Ganz anders jene Fachleute und Bierliebhaber, die auch am letzten Tag gekommen waren, um sich einen Überblick über die Aktivitäten der Brauereien zu verschaffen. An langen
Weitere Kostenlose Bücher