Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
offiziellen Ende abgebaut. Teils standen die Leute zusammen und unterhielten sich angeregt. Sie grüßte Kollegen und Bekannte aus der Branche, denn man kannte sie.
Nervös strich sie sich über ihre Perlenkette und hielt weiter Ausschau nach Florian, als sie von der Seite von jemandem angerempelt wurde.
»Schau, dass du nach Hause kommst, Jochen!«, stutzte sie den betrunkenen Mann zurecht, der in ihrer Brauerei als Lehrling angestellt war. Mit einer entschuldigenden Geste trollte sich Jochen Vester davon. Zeil beobachtete ihn, wie er in der Menge verschwand, und dachte daran, dass Manuela Weigl nicht weit sein konnte. Es war kein Geheimnis, dass der Braumeisterlehrling in sie verliebt war. Als sie die Bierkönigin bei einem der Stände im Gespräch entdeckte, zeigte Zeil Verständnis dafür, dass sie von Männern begehrt wurde. Sie hatte Manuela nie so hübsch gesehen. Und wie unverschämt jung sie war. Sie könnte deine Tochter sein, schoss es beängstigend durch ihren Kopf. Erst vor einer Woche hatte sie mit Florian Dietl am Ammersee ihren vierundsechzigsten Geburtstag gefeiert. An jenem Abend hatte sie sich in seinen Armen jung gefühlt. Genauso jung wie Manuela Weigl, deren hin- und herschwingenden Hintern sie scharf im Blick behielt, als sie ihr durch das Rolltor nach draußen in die Dunkelheit folgte.
11
W arum hat die drunter nichts an?«, fragte Herkamer am nächsten Morgen ins Leere.
Er stand kerzengerade vor einem leblosen Frauenkörper. Ihn fröstelte in der dünnen Kapuzenjacke. Es war kurz vor zehn, und sein Vorgesetzter Leipold war seit einer halben Stunde überfällig. Herkamers Kollege Stern unterhielt sich einige Meter entfernt am Bestattungswagen mit den Leuten von der Spurensicherung. Er nickte zustimmend, dann bahnte er sich den Weg über die Absperrung zu seinem Freund und Kollegen.
»Todeszeitpunkt so zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht«, erklärte Stern. Er hatte sich heute Morgen – rein zufällig – auch für eine Kapuzenjacke entschieden.
»Warum hat die nichts an? Ich meine, unter dem Dirndl. Kein BH . Kein Slip«, wiederholte nun Herkamer, ohne Stern anzusehen.
»Warum wohl? Weil sie sich aus-, aber nicht wieder angezogen hat. Oder der Täter hat die Unterwäsche mitgenommen«, antwortete Stern. Auch er stierte auf die Leiche.
Der Kopf der Schönen war unnatürlich weit auf den Brustkorb geknickt. Aus dem geöffneten Mund zeichnete sich eine Bahn getrockneten Blutes ab. Der Farbton des Lippenstiftes war verblasst. Das weiße Fleisch glänzte in der Morgensonne.
Pius Leipold näherte sich ihnen mit drei Bechern Kaffee in der Hand. Er war spät dran, nicht nur, weil er mit einem freien Tag gerechnet hatte. Die Biere vom Vorabend setzten ihm zu, und der ungewöhnlich heftige Streit mit seiner Frau, die vorhersah, dass ihre Wochenendpläne ins Wasser fallen würden, bereitete ihm Sorgen.
In der waldähnlichen Grünanlage suchten Beamte und Polizeihunde systematisch nach Spuren. Leipold entdeckte einen besonders lebhaften Vierbeiner. Die hochsensible Spürnase des Beagles war vor allem bei Tötungsdelikten gefragt. Er grüßte den Staffelführer und konzentrierte sich wieder darauf, seinen Kater wegzudenken. Sein Körper wehrte sich gegen die anhaltende Wirkung der fünf Halben Bier, die er in seiner Stammkneipe nach den fünfundzwanzig Miniportionen auf dem Bierfestival getrunken hatte. Als er auf die Frauenleiche herabsah, schluckte er betroffen. Er erkannte die lebensfrohe Preisträgerin sofort.
»Die habe ich gestern Nacht quicklebendig gesehen«, stöhnte er mit tonloser Stimme.
Herkamer und Stern beäugten ihren Chef. Stern nahm ihm zwei Kaffeebecher ab und reichte einen weiter.
»Das ist die ›Biertrinkerin des Jahres‹«, erklärte Leipold. Er schlürfte einen Schluck vom heißen Kaffee. »Schade um sie, muss ich schon sagen.«
»Ja«, bestätigten seine beiden Kollegen unisono.
Nach einer Weile fragte Stern: »Weißt du, wie sie heißt?«
Leipold schüttelte den Kopf und blickte sich um. Zum Veranstaltungsort des Bierfestivals waren es vielleicht zweihundert Meter. Die Vermutung war nicht von der Hand zu weisen, dass das Opfer dort ihrem Mörder begegnet sein könnte. Leipold rechnete trotz stechender Kopfschmerzen nach, wie viele Leute er anfordern musste, um alle zu befragen. Mit Entsetzen dachte er an die zahlreichen Aussteller, Messearbeiter, ganz zu schweigen von den vielen Besuchern. Mitten in seinen Überlegungen hielt er plötzlich inne und
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