Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Theken informierten Vertriebsleute über edle, ungewöhnliche Bierkreationen. Familiengeführte Privatbrauereien luden an liebevoll dekorierten Ständen die Konsumenten ein, die Hausmarken zu probieren.
Leipold erstand fünfundzwanzig Gutscheine, die ihn dazu berechtigten, die feilgebotenen Biere zu kosten. Er war ganz in seinem Element. Schließlich kannte er sich mit Bier aus. Zum einen war es sein Lieblingsgetränk, zum anderen beherbergte er zu Hause eine Bibliothek mit Fachbüchern zum Thema und wusste aus eigenen Bemühungen, dass Bierbrauen nicht nur handwerkliches Geschick erforderte. Es gehörten eine gute Portion Gefühl sowie Erfahrung dazu. Er jedenfalls war als Hobbybrauer kläglich gescheitert und hatte sein Brauereiset nach mehreren Fehlversuchen zum Sperrmüll gefahren. Leipold roch und schlürfte die unterschiedlichsten Sorten. Egal, ob obergärig oder untergärig, in Flaschen gereift oder im Barriquefass, Biobier oder Designerbier. Bewertete für sich die unterschiedlichen Malze und Hopfen, Antrunk und Nachtrunk. Er entdeckte sogar einen mit Swarovskisteinen geschmückten Stand, an dem Bier in Champagnerflaschen vermarktet wurde. Zwar hatte er für den einen Abend seine Überzeugung gelockert, nur Bier, das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde, zu trinken, wollte aber dennoch nicht jeden Unsinn mitmachen. Er empfand sich als moderner Traditionalist, was Trinken und Essen betraf. Mit Betonung auf Tradition. Und als waschechter Münchner war er stolz auf die in aller Welt geschätzten Bierköstlichkeiten seiner Heimatstadt, wenngleich er wusste, dass es allein in Deutschland über fünftausend Biersorten gab. Die Konkurrenz war groß, im Inland wie im Ausland. Der Engländer drängte mit süffigem Ale auf den Markt. Der Amerikaner dagegen schaffte es bei allen phantasievollen Bemühungen noch nicht, den Geschmack des bayerischen Biertrinkers zu treffen.
Gegen zweiundzwanzig Uhr freute sich Leipold mit den anderen rund dreihundert Besuchern auf den Höhepunkt des Abends. Etwas angeschlagen von der anstrengenden Bierverkostung, verfolgte er, wie die zwei Veranstalter mit Jeans und heraushängenden Hemden auf die provisorische Bühne hüpften. Abwechselnd reichten sich die zwei, die nach Leipolds Einschätzung aus Dresden kommen mussten und etwa dreißig Jahre alt waren, das Mikrofon lässig hin und her. Mit launigen Formulierungen machten sie sich dafür stark, das Reinheitsgebot zu lockern, um die Kreativität der deutschen Braumeister nicht unnötig einzuschränken. Die bekennenden Kritiker des Reinheitsgebotes kapitulierten schließlich vor den Buhrufen aus dem Publikum.
»Ist euch zwei Hampelmännern eigentlich klar, wo ihr seid?«, schrie eine männliche Stimme voller Inbrunst.
Das Publikum grölte auf. Niemand anderer als Pius Leipold entpuppte sich als einer der Störenfriede. Er stand in vorderster Reihe und räusperte sich, bevor er aus tiefster Überzeugung weiter seinen Standpunkt verdeutlichte, den allem Anschein nach die meisten Besucher teilten.
»In Bayern und hier in München haben wir gerne klare Verhältnisse. Wenn wir Bayern Bier trinken, wissen wir, dass nichts anderes drin ist als Malz, Wasser, Hopfen und Hefe. Nennt das Zeug, was ihr da mischt, wie ihr wollt. Aber
Bier
wird daraus nie und nimmer!«
Manuela Weigl hörte den tobenden Applaus aus der Halle, während sie in der abgetrennten Raucherlounge auf ihren Auftritt wartete. Es dauerte einige Minuten, bis die Veranstalter die aufgebrachten Gemüter beruhigt hatten und zur Verkündung der »Biertrinkerin des Jahres« überleiten konnten. Die Jury bestand aus drei Männern sowie drei Frauen und hatte ihre Entscheidung mit Bedacht getroffen. Sie wollte eine Person küren, die tatsächlich Ahnung von Bier hatte und es nicht nur trank. Mehrfach war man mit Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben nicht gut weggekommen. Folglich kam der Vorschlag, Manuela Weigl mit dem Preis auszuzeichnen, gerade gelegen. Sie war hübsch, jung und arbeitete in der Bierindustrie.
Mit einem strahlenden Lächeln betrat Manuela die Bühne und bedankte sich mit einem Knicks für die ehrenvolle Auszeichnung. Sie nahm den Bierpokal entgegen und prostete den Zuschauern zu. Ein Meer Degustationsgläser schnellte in die Höhe. Etwas zu hastig führte sie den Glaspokal an den Mund. Die goldgelbe Flüssigkeit schwappte über ihre ferrarirot geschminkten Lippen. Schaum quoll über die Mundwinkel. Der Ausschnitt, der ihre weiße Haut
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