Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
verdrehte ungläubig die Augen. Konnte die Gestalt, die er auf sich zukommen sah, eine Fata Morgana sein? Nein, stellte er fest. Niemand anderer als der Leiter des Sonderdezernats Migra schritt schnurstracks auf seinen Tatort zu.
»Was hast du denn hier verloren, Zeki?«, schrie er ihm entgegen. Das Lächeln des Türken interpretierte er als hinterhältige Masche, die einzig dazu diente, sein überhebliches Wesen zu vertuschen. »Hier hast du nichts verloren. Das ist meine Leiche.«
»Keine Sorge. Ich hatte in der Nähe zu tun. Ich nehme dir deine Leiche schon nicht weg«, antwortete Demirbilek versöhnlich und reichte ihm die Hand. Gespannt warteten Herkamer und Stern ab, ob ihr Chef den Gruß erwiderte. Leipold rang mit einer Entscheidung, als Demirbilek die Hand zurückzog.
»Manuela Weigl, zwanzig Jahre alt, alleinstehend, wohnhaft in Laim. Angestellt bei der Privatbrauerei Mingabräu im Vertrieb«, erklärte er, ohne die Augen von der Leiche zu nehmen.
»Woher weißt du das?«, fragte Stern.
»Lies selbst«, entgegnete Demirbilek und reichte ihm die Tageszeitung, in der ein Bericht über das Bierfestival abgedruckt war. In dem Artikel wurde die Leiche porträtiert; die Fotos zeigten die lachende Preisträgerin, wie sie aus dem Bierpokal trank.
Am Morgen war Demirbilek um fünf Uhr zu einem ausgiebigen Frühstück aufgestanden, um sich für den anstehenden Fastentag zu wappnen. Nach den Regeln des Ramadans war es erlaubt, bis Sonnenaufgang Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Dann galt es, bis Sonnenuntergang durchzuhalten. Er hatte sich beim Frühstück in die Zeitung vertieft. Durch den Bericht im Lokalteil war er auf die Idee gekommen, wegen des Steinkrugs in der Hand der Bierleiche auf dem Festival nachzuforschen.
Nun stand er reglos vor der Frauenleiche und musste feststellen, dass die Nacktheit der Toten eine merkwürdige Faszination ausstrahlte. Die freigelegten Brüste und die fast entblößte Scham wirkten auf beklemmende Art unschuldig und lebendig.
»Was meinst du, wollt ihr sie nicht zudecken lassen?«, fragte er nach einer Weile.
Schnell gab Leipold Herkamer ein Zeichen, der sofort lostrabte, um jemanden von der Spurensicherung zu holen.
»Sind gerade erst gekommen«, erklärte er entschuldigend und nahm einen Schluck vom dampfenden Kaffee, während die Leiche abgedeckt wurde.
»Sexualdelikt?«, fragte Demirbilek.
»Möglich. Sie hat keine Unterwäsche an.«
»Und was ist mit dem blauen Fleck am Genick?«
»Ja, das ist komisch. Ein normaler Schlag verursacht kein so riesiges Hämatom. Mal abwarten, was die Laborratten herausfinden«, meinte Leipold mit einem Seufzer. »Ich habe sie gestern auf dem Bierfestival gesehen.«
Demirbilek verzog die Augenbrauen.
»Das war rein privat, damit das klar ist!«, zischte Leipold entrüstet. »Bierbrauen ist eine Wissenschaft! Wenn ich nicht Polizist geworden wäre, dann garantiert Braumeister.«
»War interessant, oder?«, fragte Demirbilek halbherzig nach. Er hatte sich abgewöhnt, Leipolds Provokationen allzu ernst zu nehmen.
»Ja, schon.«
»Kennst du die Brauerei, wo das Opfer gearbeitet hat?«
»Du meinst die Mingabräu? Klar, kenne ich die. Sind vor paar Jahren fast pleite gewesen. Ich glaube, der Braumeister hat sich von Chinesen abwerben lassen. Auf dem Festival hatten die jedenfalls keinen Stand. Ich habe alle abgeklappert.«
Die beiden verstummten.
»Wir haben gestern einen Toten reinbekommen. Keine Papiere. Ist aber ziemlich sicher Ausländer«, nahm Demirbilek das Gespräch im Plauderton wieder auf.
»Habe ich schon gehört. Und? Hast du Glück? Hat es einen Türken erwischt?«, fragte Leipold hämisch.
Demirbilek verzichtete darauf, seinem Kollegen aufzuzählen, wie viele nicht-türkische Kapitalverbrechen bei der Migra offen waren.
»Könnte sein.«
»Warum erzählst du mir das eigentlich? Hat dein Türke mit meiner Leiche etwas zu tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sag schon«, drängte Leipold.
»Ich gebe dir Bescheid, wenn sich ein Zusammenhang ergibt«, erwiderte Demirbilek und verabschiedete sich. Nicht nur, weil er keine Lust mehr auf Leipolds Gegenwart hatte. Der nervenaufreibende Kaffeegeruch setzte ihm zu.
Als er den Tatort weit genug hinter sich gelassen hatte, nahm er sein Mobiltelefon zur Hand und rief Isabel Vierkant im Büro an.
»Fahr zur Ferner in die Gerichtsmedizin und frag nach unserem Toten.«
»Sie kennen sie doch. Auf Druck reagiert die immer komisch«, gab Vierkant zu bedenken.
»Dann sei
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