Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
hatte. Mitten im ersten Durchgang durch die zweiundvierzig Fernsehkanäle klingelte ihr Telefon. Das Handy lag auf dem Wohnzimmertisch neben dem Glas Wein, das sie sich eingeschenkt hatte. Sie hob sofort ab.
»Pius, was gibt es?«, fragte sie erstaunt. »Heute arbeite ich nicht mehr.«
»Nein. Ich wollte dich doch einladen, deshalb.«
Vierkant verdrehte die Augen. »Auf ein Bier?«, fragte sie ungewollt entsetzt.
An ihrem Entsetzen hatte Leipold keine Schuld, sondern die Unterhaltungsshow des öffentlich-rechtlichen Senders. Dort lüpfte gerade eine prominente Sängerin das Oberteil, um ihren Bauchnabel in die Kamera zu halten. Frisch vernarbte Brandspuren bildeten um den Nabel herum Sonnenstrahlen. Vierkant und Millionen Zuschauer wurden informiert, dass sich diese Art der Körperverzierung Branding nannte. Die Sängerin teilte intimste Geheimnisse mit ihr. Wie es ihrem Kollegen Pius ging, wusste sie dagegen nicht.
»Warte mal«, sagte sie in den Hörer und legte das Handy ab.
Bevor sie es zum Büro ihres Mannes geschafft hatte, um ihm zu sagen, dass sie ausgehen werde, klingelte es erneut. Dieses Mal an der Wohnungstür. Was ist denn heute bloß los?, fragte sich Isabel und öffnete die Tür. Zeki Demirbilek stand davor.
»Hast du das Paket aufgetrieben?«, fragte er, ohne zu grüßen.
»Wenn, hätte ich mich gemeldet, das wissen Sie doch. Morgen weiß ich hoffentlich mehr. Ist schwierig. Postgeheimnis.«
Demirbilek nickte. Er war sicher, Vierkant würde es irgendwie schaffen, an Özkans Paket zu kommen.
»Ist dein Mann zu Hause?«, wollte er dann wissen.
»Ja, wieso?«, antwortete sie verblüfft.
»Ich wollte ihn um einen Gefallen bitten.«
Vierkant zögerte. Er muss einen guten Grund haben, wenn er zu dir nach Hause kommt, dachte sie.
»Kommen Sie herein.«
Da fiel ihr Leipold am Telefon ein, sie eilte in das Wohnzimmer zurück. Demirbilek trat ein und sah sich um. Kurz darauf erschien Peter. Er gähnte ausgiebig und begrüßte den Chef seiner Frau. Sie waren sich mehrfach begegnet, als er Isabel im Präsidium abgeholt hatte.
»Ich dachte, sie hat das Wochenende frei?«
»Keine Sorge. Ich bin wegen Ihnen gekommen.«
»Meinetwegen?«, fragte er überrascht.
Demirbilek hielt ihm Kocas Tablet entgegen. »Damit kenne ich mich nicht aus. Es hat Passwortschutz.«
Neugierig nahm Peter das Gerät entgegen und schaltete es ein.
»Dokumente und Mails interessieren mich«, erklärte Demirbilek.
»Habt ihr nicht eine IT -Abteilung für solche Aufgaben?«, erwiderte er und sah zu seiner Frau, die mit dem Handy zurückkam.
»Herr Demirbilek möchte rein privat wissen, was da drauf ist. Zeit, um Formulare auszufüllen, hat er nicht, oder?«, half sie aus.
»Ich hätte es nicht besser ausdrücken können«, bestätigte er.
Peter atmete tief aus. »Gut, ich brauche ohnehin eine Pause. Komme gerade nicht weiter mit dem Programmieren. In zwei Stunden, okay?« Er gab Isabel einen Kuss und verschwand mit dem Tablet unter dem Arm ins Badezimmer.
»Dürfen Sie schon was essen und trinken?«, fragte Vierkant.
»Bald, warum?«
»Was dagegen, wenn wir Pius treffen?«
»Warum sollte ich?«, erwiderte er. In Gesellschaft verging die Zeit schneller. Zwar in guter besser als in schlechter, aber das war dem hungernden Kommissar einerlei.
34
E s wäre gegen Leipolds Natur gewesen, ohne Murren Demirbilek auch in privater Gesellschaft zu ertragen, statt Vierkant allein zu sehen. Allerdings wich seine gereizte Stimmung bereits nach dem ersten Weißbier. Die bayerische Wirtschaft im Westend bot anständiges Bier und gutbürgerliche Küche, ganz nach seinem Geschmack. Außerdem war ihm aufgefallen, wie höflich der Pascha gefragt hatte, ob er nicht störe. Überhaupt hielt er sich zurück, hörte zu und genoss friedlich seine zweite Portion Reiberdatschi. Nachdem er den letzten Bissen heruntergeschluckt hatte, trank der Migra-Chef einen großen Schluck Wasser. Danach fühlte er sich wie neugeboren und spürte, wie Kraft und Energie den Körper belebten.
»Den ganzen Tag nichts essen und trinken. Das ist doch unmenschlich«, meinte Leipold mit mitleidigem Kopfschütteln.
»Gerade dir würde es nichts schaden, ein wenig kürzerzutreten«, giftete Vierkant mit Blick auf seinen rundlichen Bauch.
»Jaja«, sagte Leipold nur und trank von seinem Bier.
Demirbilek verhielt sich still. Ihm war das Mitleid, das Leipold ihm entgegenbrachte, herzlich egal. Viel spannender empfand er die Art, wie Isabels Ehemann die Gaststätte
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