Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
brachte Aydin schließlich doch noch aus der Fassung. Als er aufsprang, warf er den Stuhl um. Ohne eine Reaktion zu zeigen, bereitete Zeki den Tee weiter zu. In Gedanken errechnete er, wann sein Enkelkind zur Welt kommen wird. Vor sich hin lächelnd, strich er verschämt eine Freudenträne aus dem Augenwinkel und versuchte nach wie vor, einen starken Morgentee für seinen Sohn zu kochen. Auch wenn er sich zu jung dafür fühlte, gefiel ihm zu seiner eigenen Verwunderung die Vorstellung,
dede
– Großvater – zu werden. Innerlich stimmte er sich darauf ein, seine Wohnung Aydin und Jale zu überlassen. Eine junge Familie hatte in der Dreizimmerwohnung genug Platz, befand er. Zwei Kindergärten waren in der Nähe. Jale würde nach einem Jahr sicher wieder arbeiten gehen. Er selbst, sagte er sich, würde eine kleinere Wohnung finden. Mitten in seine Überlegungen hinein, ob die beiden überhaupt in München bleiben wollten, platzte Aydin mit seiner Tasche zurück in die Küche, stellte den umgeworfenen Stuhl auf und setzte sich.
»Sie ist weggefahren«, sagte er mit tonloser Stimme.
Zeki drehte sich um. Es dämmerte ihm, wo Jale sein konnte. Er hatte sie beauftragt, den persönlichen Hintergrund der Diplomatin zu durchleuchten. Außerdem wollte er mehr über Bayrak und seine Geschäfte wissen.
»Ich habe ihr eine Nachricht auf dem Handy hinterlassen. Hat sie nichts gesagt?«
»Nein«, antwortete Aydin.
»Sie muss arbeiten«, erklärte Zeki mit fester Stimme.
Sein Sohn hob den Kopf. »Deshalb wollte sie so früh zurück nach München.«
Zeki zuckte hilflos mit den Schultern. »Es sind neue Erkenntnisse im Fall eingetreten.«
»Du schickst sie am Sonntag ins Büro, obwohl du weißt, dass wir auf einem Ausflug sind?«, warf Aydin seinem Vater vor.
Zeki bemühte sich, das Gefühlschaos, das in seinem Sohn vorging, nachzuempfinden. Es fiel ihm nicht schwer. Das nicht. Doch er hatte seinen Sohn zuvor fünf Jahre lang nicht gesehen und war den Umgang mit ihm noch immer nicht gewohnt.
»Denk nach, bevor du mir Vorwürfe machst. Ich wusste nichts von ihrer Schwangerschaft«, las er ihm die Leviten.
Die Wirkung seiner Worte ließ nicht lange auf sich warten.
»Sie passt perfekt in dein Team!«, gab Aydin scharf zurück.
Zekis Stimme wurde bedrohlich leise. Er wollte das nicht. Dennoch passierte es. »Ich kenne sie nur ein paar Tage länger als du. Jale hat sich ohne mein Zutun für den Beruf entschieden. Anders als du.«
»Diese alte Leier wieder! Vergiss es, auf die Diskussion lasse ich mich nicht ein. Ein Polizist wie du wäre ich niemals geworden! Jale und ich wollten das Wochenende über unsere Zukunft reden, darum geht es jetzt! Doch in Gedanken war sie nur bei dir.«
»Du meinst, bei dem Fall«, berichtigte Zeki ihn schnell. Das Gespräch nahm einen sonderbaren Verlauf an. Warum spricht er nicht über das Baby, das sie erwarten, sorgte er sich.
»Nein. Bei dir! Erst rufst du an, um sie zu dem Hausmeister mitzunehmen, dann bestellst du sie wieder ab. Sie hat sich Vorwürfe gemacht, weil sie nicht sofort alles stehen und liegen gelassen hat.«
Zeki war nicht bewusst gewesen, was er mit seinem Anruf ausgelöst hatte. Er wischte sich mit den Händen über das Gesicht. Dann suchte er in den Hosentaschen nach einem Taschentuch, bis ihm klarwurde, die Tagesration noch nicht eingesteckt zu haben. Was für ein furchtbarer Sonntag, beklagte er sich leise, stellte den Herd ab und verließ die Küche, um kurz danach mit seinem Sakko und drei frischen Stofftaschentüchern zurückzukehren.
»Ich hole sie«, sagte er. »Dann reden wir.«
»Es gibt nichts zu reden«, erwiderte Aydin.
»Ihr seid nicht die Einzigen, die in jungen Jahren Eltern werden, mein Sohn«, versuchte Zeki, ihn zu besänftigen.
»Jale will das Kind nicht.«
Zekis Gesicht verfinsterte sich mit einem Schlag. Sein Herz begann zu rasen. Ein stechender, unangenehmer Schmerz.
»Du redest nicht mit ihr,
baba!
Das geht dich nichts an«, befahl Aydin eindringlich.
»Weiß Selma Bescheid?«, fragte Zeki ruhig.
»Nein«, stieß Aydin hervor und verschwand aus der Küche.
Zekis Augen folgten ihm. Er setzte sich. Sein Blick fiel auf die Wasserkaraffe auf dem Küchentisch. Er nahm sie und führte sie zum Mund.
36
J ale Cengiz stand kerzengerade an ihrem Schreibtisch. Das Telefon klemmte unter dem Kinn, die Finger flogen gleichzeitig über die Tastatur. In ihrer Stimme lag eine nervöse Ungeduld.
»Hören Sie mir ganz genau zu: Ich will nur wissen, ob
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