Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
angesehen. Innerlich jedoch war sie aufgekratzt. Noch am heutigen Abend würde sie ihren Eltern in Istanbul schonend beibringen, dass ihre unverheiratete Tochter schwanger war.
»Ich wollte euch nicht ins Handwerk pfuschen, habe mir aber die Website der Mälzerei angesehen. Die Firma hat etliche Auszeichnungen, sind Öko und Bio und sonst was. Hochwertige Produkte, Transparenz bei der Herstellung, beste Qualität. Wenn die Gerste in dem Sack tatsächlich von dem Betrieb stammt, haben die ein massives Problem am Hals. Unvorstellbar eigentlich bei unseren strikten Lebensmittelkontrollen.«
»Was ist mit den Säcken? Sind die original?«, warf Demirbilek, der sich bisher zurückgehalten hatte, ein.
»Was fragst du mich das, Zeki? Nicht meine Abteilung.«
»Vierkant, recherchier das. Lass dir von der Mälzerei sagen, woher sie die Säcke beziehen. Wer weiß, vielleicht hilft uns das weiter«, entschied Demirbilek. Er hatte so ein Gefühl. »Wenn du Gerste billig einkaufst, sparst du eine Menge Kosten bei der Produktion«, überlegte er laut. »Spezial bedeutet ja wohl auch teuer.«
»Vielleicht hat Bayrak genau das herausgefunden und wollte sich vergewissern«, half Leipold weiter.
»Gut möglich«, nahm Demirbilek den Gedanken auf. »Über Zeils Schreibtisch gehen Bestellungen und Lieferscheine. Wenn sie …«
Da klopfte es an der Tür.
»Nicht jetzt!«, schrie Demirbilek so laut, dass sein Team zusammenzuckte. Er gestikulierte Leipold, den Sack verschwinden zu lassen, woraufhin er ihn hinter Demirbileks Schreibtisch zerrte. Die Gerichtsmedizinerin sprang schutzsuchend zur Seite.
»Wartet mal«, flüsterte Vierkant, um sicherzugehen, von der Zeugin vor der Tür nicht gehört zu werden. Schnell holte sie den Bericht der Spurensicherung und fand den Hinweis, den sie suchte.
»Ich habe dem zuerst nicht viel Bedeutung beigemessen. Bayrak hatte Plastikbeutel bei sich. Zwei Stück, genauer gesagt, handelsübliche Gefrierbeutel. Sehen ein wenig aus wie unsere Beweismittelbeutel. Vielleicht wollte er Proben entnehmen?«
»Ruf nach der Besprechung gleich bei der Mälzerei an.« Demirbilek spürte, wie der Sand in seiner Hand nass wurde. Trotz der Euphorie, die ihn erfasste, entging ihm nicht, wie Jale unruhig auf die Bürouhr schielte. Beim gemeinsamen Frühstück hatte sie angekündigt, vor der Abreise am Nachmittag packen zu müssen.
»Brauchst du mich noch, Zeki?«, fragte die Gerichtsmedizinerin und zwinkerte ihm dabei eigentümlich zu. »Ich habe eine Versuchsreihe zu Ende zu bringen. Recht komplexe Angelegenheit.«
»Gut, dass du es erwähnst, Sybille«, erwiderte Demirbilek ohne eine Spur von schlechtem Gewissen. Er schob die Nachlässigkeit, sie nicht informiert zu haben, auf die Fastenzeit. »Wir wissen, welches Bier in Özkans Blut gelangt ist.«
»Das erzählst du mir erst jetzt?«, schnaubte Ferner. Am liebsten hätte sie losgeheult, viele Stunden Arbeit hatte sie in den Gefallen investiert, den ihr der türkische Kollege mit einer netten Schmeichelei abgenötigt hatte.
»Wir wissen es auch erst seit gestern«, stellte Demirbilek lapidar fest.
Höre ich richtig?, fragte sich die Gerichtsmedizinerin. Er hält es nicht einmal für nötig, sich zu entschuldigen? Sie war unentschlossen, ob sie ihn ohrfeigen oder einen Tritt verpassen sollte. Letztlich verdankte es Demirbilek dem hilflosen Zucken seiner Schultern und seinem glaubhaft unschuldigen Blick, um Ferner von ihrer Bestrafung abzuhalten.
»Ich habe was gut bei dir«, bemerkte sie geladen.
Demirbilek nahm mit Wohlwollen die Drohung zur Kenntnis. Der Pascha in ihm begann sich zu regen. Ohne sich seines machohaften Verhaltens bewusst zu sein, stellte er nüchtern fest, dass Sybille eine alleinstehende Frau war und gut aussah. Warum sollte sie es nicht bei ihm probieren?
»Mittagessen?«, fragte er versöhnlich.
»Wenn du den Babysitter übernimmst, geht es auch abends.«
»Gut«, gab sich Demirbilek einverstanden. »Wann?«
»Morgen?«
»Heute ist der letzte Fastentag, morgen ist
Bayram.
«
»Was?«
»Das Fest zum Ende des Ramadans Zuckerfest.«
»Ach so. Wie sieht es mit übermorgen aus?«
»Besser«, hörte er sich sagen. Gleichzeitig schimpfte er sich. Was trieb er nur da? Es war ihm, als habe er mit der eben eingegangenen Verabredung Ehebruch begangen. Selma war in der Stadt. Er wollte sie später treffen. Du sagst der Kollegin ab, entschied er, als Ferner die Tür hinter sich zugezogen hatte. Dann nahm er alle Kraft zusammen, um sich
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